24 November 2006

Rassismus : Schüsse in Paris

Tödliche Schüsse aus Angst vor rechtem Lynchmob

"Das ist ein Bulle!", "Dreckiger Neger!": Rechtsradikale Fußballfans haben in Paris einen farbigen Polizisten attackiert, weil der einen Anhänger von Hapoel Tel Aviv schützen wollte. Zwei Schüsse fielen - ein Fan starb.


Paris - Ein Augenzeuge schilderte den Vorgang in allen Details. Es seien "Minuten extremer Gewalt" gewesen, sagte der Journalist Philippe Broussard vom Magazin "L' Express". "Das ist ein Bulle!" und "Dreckiger Neger!", hätten die Angreifer geschrien. "Dutzende von Personen stürmten auf den Polizisten zu und wollten ihn wegen seiner Hautfarbe angreifen", erklärte Broussard zu der Frage, ob es Notwehr gewesen sei.

Schießerei in Paris: In diesen Schnellimbiss flüchtete der Polizist Der Beamte in Zivil hat gestern Abend einen Fußballfan des französischen Erstligisten Paris St. Germain (PSG) bei Auseinandersetzungen nach dem Uefa-Pokalspiel gegen Hapoel Tel Aviv (2:4) erschossen und einen zweiten Anhänger schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei wollte der Beamte einem französischen Fan von Tel Aviv zu Hilfe kommen, der von gewaltbereiten PSG-Anhängern bedroht wurde. Als der Polizist daraufhin von etwa 150 Fans angegriffen und laut Polizei "in eine Ecke gedrängt wurde", habe er zunächst Tränengas versprüht und danach zwei Schüsse abgegeben. Einer davon traf den etwa 20 Jahre alten PSG-Fan tödlich. Die Polizeigewerkschaft "Alliance" sprach heute von "legitimer Selbstverteidigung".
"Das war ein Schuss aus Verzweiflung", teilte die Gewerkschaft mit. "Er ist von 150 aufgeheizten Typen angegangen worden, und wenn er nicht geschossen hätte, wäre er dabei draufgegangen." Der Gewerkschaftschef Frédéric Lagache sagte, dass der Zivilbeamte "Angst um sein Leben" hatte.

Der Todesschütze ist in Polizeigewahrsam. Die Polizei hat eine interne Untersuchung eingeleitet. Auch von acht Pariser Hooligans, die am Abend festgenommen worden waren, hielt die Polizei am Freitag noch fünf wegen "rassistischer und antisemitischer Beleidigungen" fest, teilte die Pariser Polizeipräfektur mit. Die Polizei hat eine interne Untersuchung eingeleitet. Die Anhänger des Pariser Clubs sind als gewalttätig bekannt. Es kommt rund um das Prinzenpark-Stadion im Pariser Westen immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen unter Fans.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll es sich bei den PSG-Fans überwiegend um Rechtsextremisten gehandelt haben, die Sprechchöre wie "Frankreich den Franzosen" skandierten. Der Polizist musste nach den Schüssen vor den aufgebrachten Fans in einen Schnellimbiss flüchten.
all/reuters/dpa/ap

23 November 2006

Rassismus : BFC Berlin

Trauriger AlltagDynamo-Fans beleidigen Türkiyemspor-Spieler
BERLIN. Das Thema Rassismus in deutschen Stadien machte in den vergangenen Wochen die Runde. Dabei ist das Problem kein neues. Regelmäßig kommt es bei Spielen des BFC Dynamo zu Zwischenfällen, besonders wenn es gegen türkische Vereine geht. Am Sonntag blieben in der Oberliga-Partie beim BFC Türkiyemspor zumindest Randale aus. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. "Von Beleidigungen bis hin zu Steinwürfen haben wir schon alles erlebt", sagte Isparta Bilinc, der Pressesprecher der Kreuzberger.Im Katzbachstadion beschränkten sich die Ausfälle auf die verbale Ebene. Einige Unverbesserliche beleidigten den dunkelhäutigen Türkiyem-Spieler Stephan Kwasi Boachie mit Affengeräuschen. "Das war schon etwas problematisch und wegen einiger Vorfälle in der Vergangenheit war ich auch etwas ängstlich", sagte Kwasi Boachi. Allerdings sind für den Angreifer rassistische Beleidigungen durch gegnerische Fans bereits trauriger Alltag - das Gebrüll der BFC-Fans empfand er deshalb als normal. Beim Torgelower SV sei es besonders schlimm gewesen, erzählte Boachie. Einen positiven Trend kann er deshalb nicht ausmachen. Vielleicht blieb es diesmal nur bei vereinzelten Beleidigungen, weil derzeit genau hingeschaut wird, gerade beim vorbelasteten BFC Dynamo. Zudem hatte der Berliner Fußball-Verband sich vor dem Spiel in einer Erklärung eindeutig von Rassismus distanziert.Am Ende zeigten sich die Gäste als schlechte Verlierer. Nach dem 1:0-Erfolg von Türkiyemspor wurden die BFC-Fans von einem großen Polizeiaufgebot aus dem Stadion eskortiert. Als sie an den türkischen Fans vorbeikamen, kam es zu lautstarken Beleidigungen und Provokationen. "Wir haben aber gelernt, uns nicht mehr provozieren zu lassen", sagte ein gelassener Isparta Bilinc. Das hat funktioniert, nach dem Spiel bedankte sich BFC-Präsident Mario Weinkauf bei den Gastgebern für den herzlichen Empfang. Es bleibt zu hoffen, dass die Kreuzberger bei ihrem Gastspiel im Ostteil der Stadt dann ähnliches sagen können.
Quelle :Berliner Zeitung, 23.10.2006

Polizei : Rechtsexteme bei der Bundespolizei

Bundespolizisten zelebrierten Rechtsextremismus

Ein Beamter wurde fristlos entlassen, nachdem seine rechte Gesinnung bekannt geworden war. Seine Klage gegen die Kündigung war aussichtslos. Das Gericht verwunderte vor allem eins: Warum fielen Björn S. und seine Gesinnungsgenossen der Bundespolizei nicht viel früher auf?Von Michael Mielke Bedrohlich: Ähnliche Kleidungsstücke trug auch Björn S.Foto: dpaBerlin - Schon der Prozessanlass war brisant: Ein Bundespolizist, der eine CD mit rechtsextremer Musik verbreitet haben soll, wandte sich an das Berliner Verwaltungsgericht, um gegen seine fristlose Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu klagen. Während der mündlichen Verhandlung kam jedoch zur Sprache, dass seinerzeit offenbar der größte Teil des 20-köpfigen Zuges einer Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit mit rechtsextremem Gedankengut infiziert war. Dabei handelt es sich um Polizeibeamte, die in Berlin-Schönweide stationiert sind und bei Demonstrationen, in Fußballstadien oder bei anderen öffentlichen Veranstaltungen für Ruhe und Ordnung sorgen sollen. Anlass für das fristlose Entfernen des 26 Jahre alten Björn S. war der Vorwurf seines Dienstherren, der Polizeimeister habe über das Internet Musiksendungen des rechtsextremistischen "Radio Wolfsschanze" aufgenommen und sie an einen interessierten Kollegen weiter gegeben. Mit Texten - um nur ein Beispiel zu nennen - die den Tod des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, in infamer Weise bejubeln. Ein zweiter Vorwurf bezog sich auf das sexistische Verhalten des Polizeimeisters gegenüber eine Kollegin. Das ging bis zur Aufforderung, ihn oral zu befriedigen. Schon dieser in der mündlichen Hauptverhandlung bestätigte Vorwurf reichte dem Verwaltungsgericht, die Klage des Polizisten gegen seine Kündigung abzuweisen. Für Verwunderung und Empörung sorgte bei den Richtern, dass Björn S. und seine Kollegen den Berliner Vorgesetzten nicht schon vorher aufgefallen waren. Ins Rollen waren die Untersuchungen erst Anfang 2004 gekommen. Nach einem "Teamtraining" des Zuges im Trainingszentrum der Bundespolizei im Nationalpark Berchtesgaden. Beamte aus Essen, die im "Haus Kühroint" ebenfalls einen Lehrgang besuchten, hatten sich damals entsetzt über das Aussehen und Auftreten der Berliner Kollegen gezeigt. Sie sähen aus, hieß es in Vernehmungsprotokollen, wie Teilnehmer von NPD-Veranstaltungen. Ein leitender Beamter aus Essen beschrieb "Verhaltensweisen, wie sie sonst nur in der rechtesextremen Szene zu beobachten sind". Vor Gericht kamen weitere Details zu Sprache: Frisuren, wie sie in der rechtsextremen Szene typisch sind. T-Shirts, auf deren auf deren Brustseite ein Bundesadler und die Aufschrift "Polizei" zu sehen waren; und auf der Rückenseite ein Zähne fletschender Wolf und Schlagstöcke. Auf anderen T-Shirts stand: "Unsere Heimat, unsere Liebe, unser Stolz" - nach Meinung der Kammer keineswegs zufällig in der für rechtsextreme Losungen gern verwendeten gotischen Schrift. Ein beisitzender Richter erwähnte "regelrechte Andachten", die von den Berliner Bundespolizisten im "Haus Kühroint" abgehalten worden seien. Nach Aussage von Zeugen sei das unter einer in einem Balken eingeritzten, das 1000-jährige Reich beschwörenden Inschrift "1933 - 2033" geschehen. Und in diesen Kontext, befanden die Richter, passten dann auch die deutlich sichtbaren Beschriftungen auf Schlagstöcken von Beamten des Zuges. Sie hatten sich dafür - es erinnerte beklemmend an den heidnischen Kult der Nazis - Namen der nordischen Mythologie ausgesucht. Den Hauptgott Odin wählte Björn S.' Gruppenführer. Derselbe Beamte saß vor Gericht neben einer Justiziarin und sollte helfen, die Kündigung des Polizeimeisters zu begründen. Der Inspektionsleiter der Einheit erklärte vor Gericht, der Zug sei inzwischen aufgelöst. Neben Björn S. habe ein zweiter Bundespolizist den Dienst quittieren müssen. Zudem seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Er sprach von "einem sicher sehr ungünstigen Eindruck, der entstanden" sei. Es könne jedoch "nicht davon ausgegangen werden, so der Beamte, dass es sich um rechtsradikale Gesinnung gehandelt" habe. "Ansonsten hätte es ganz andere Konsequenzen gegeben."
Quelle : Die Welt

Rassismus : Polen - UEFA sperrt Mijailovic

Polen: Strafe wegen rassistischer ÄußerungenUEFA sperrt Mijailovic
Der Serbe Nikola Mijailovic ist von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wegen rassistischer Äußerungen für fünf Spiele auf internationaler Ebene gesperrt worden. Die UEFA sah es als erwiesen an, dass der Abwehrspieler des polnischen Erstligisten Wisla Krakow im UEFA-Cup-Spiel vergangene Woche gegen den englischen Premier-League-Klub Blackburn Rovers (1:2) seinen südafrikanischen Gegenspieler Benny McCarthy mehrfach rassistisch verunglimpft habe.McCarthy hatte unmittelbar nach dem 2:1-Erfolg der Engländer schwere Vorwürfe gegen Mijailovic erhoben, woraufhin die UEFA sofort die Untersuchungen aufnahm.Blackburns Teammanager Mark Hughes war noch am Tag nach der Partie fassungslos gewesen. "Es ist unglaublich, dass so ein Vorfall unseren tollen Auftritt überschattet. Benny war sehr traurig am Ende des Spiels, weil er während der Partie zahlreiche Sprüche rassistischer Natur über sich ergehen lassen musste."
McCarthy beklagt rassistische Attacken

Nach schweren Rassismus-Vorwürfen von Benny McCarthy von den Blackburn Rovers hat die UEFA Ermittlungen gegen den Serben Nikola Mijailovic vom polnischen Erstligisten Wisla Krakau aufgenommen.

Beim 2:1-Erfolg der Engländer soll der Verteidiger den südafrikanischen Nationalspieler mehrfach rassistisch verunglimpft haben. "Wir nehmen diese Sache sehr ernst. Aber es ist immer sehr schwer, Beweise zu finden", sagte UEFA-Sprecher William Gallard, der aber keinen Zweifel an McCarthys Glaubwürdigkeit hat: "Benny McCarthy spielt seit Jahren auf höchstem Niveau Fussball. Deshalb haben wir keinen Grund, an seinen Aussagen zu zweifeln." Noch wartet die UEFA allerdings auf den offziellen Schiedsrichterbericht.
Blackburns Teammanager Mark Hughes, ehemaliger Profi beim deutschen Rekordmeister Bayern München, war noch am Tag nach den Vorfällen fassungslos. "Es ist unglaublich, dass so ein Vorfall unseren tollen Auftritt überschattet. Benny war sehr traurig am Ende des Spiels, weil er während der Partie zahlreiche Sprüche rassistischer Natur über sich ergehen lassen musste. Wir werden der UEFA die Übeltäter nennen", sagte Hughes.

Hooligans : Dynamo Dresden

Wasserwerfer gegen Hooligans
Bei Ausschreitungen beim Spiel Hertha BSC II gegen Dresden wurden am Freitag 23 Polizisten verletzt – 22 Schläger festgenommen

Der Party-Rhythmus im Viertel um die Kulturbrauerei wurde am Freitagabend empfindlich gestört. Das Szenevolk beobachtete irritiert, wie Wasserwerfer der Polizei über die Eberswalder Straße donnerten. Der Einsatz galt schweren Ausschreitungen in Prenzlauer Berg und Mitte: Anhänger von Dynamo Dresden prügelten sich mit der Polizei. 23 Beamte wurden „zum teil erheblich verletzt“, wie die Polizei mitteilte.
Vier Polizisten mussten mit Rippenprellungen, Verdacht auf Knochensplitterungen und Verletzungen an Gelenken in Krankenhäuser gebracht werden. 22 Personen wurden festgenommen. „Wir wurden mit massivster Brutalität angegriffen“, sagte ein leitender Beamter.
Die Ausschreitungen begannen in der zweiten Halbzeit des Regionalligaspiels zwischen Hertha BSC II und Dresden. Knapp 3500 Zuschauer waren im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark neben dem Mauerpark, fast 3000 davon aus Sachsen angereist. Die Berliner Polizei hatte ein Großaufgebot eingesetzt, auch viele zivile Fahnder der „Ermittlungsgruppe Hooligan“ waren im Stadion. Denn vor allem aus dem Ostteil Berlins waren Mitglieder der Schlägerszene von BFC Dynamo und 1. FC Union angesagt, die noch bis kurz vor Mitternacht in Gruppen am Bahnhof Alexanderplatz umherliefen und die Dresdner zu attackieren versuchten. Die Berliner Hooligans wurden laut Ermittlern von Schlägern aus Brandenburg und Thüringen verstärkt.
Die Dresdner Schlägerszene, die während des Spiels immer wieder „Juden, Juden, Juden Berlin“ grölte, hatte erst brennende Fackeln in den Stadion-Innenraum geworfen, nach dem 1:1-Ausgleich kurz vor dem Abpfiff schließlich ein Sicherheitstor zum Fußballplatz geöffnet, Sitze aus der Verankerung getreten, Imbissstände zerlegt und sich in der Dunkelheit Schlägereien mit der Polizei geliefert. Mit aller Härte gingen die Beamten in die Dresdner Kurve, setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, verletzten jedoch nach Fan-Aussagen auch Unbeteiligte. Die Polizei bestätigte, dass in der Nacht noch zwei Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt erstattet wurden. Die Polizei bekam die Situation schnell in den Griff: Die Kontrahenten konnten im Berliner Stadtgebiet unter Kontrolle gehalten werden.
Die Dresdner und die Berliner Hooligan-Szene sind traditionell verfeindet. Seit fast zwei Jahrzehnten kommt es bei Spielen immer wieder zu Ausschreitungen.
Für die Polizei ging die Arbeit gleich am nächsten Morgen weiter. Die Spezialfahnder begleiteten am Samstag die Fans von Hertha BSC zum Auswärtsspiel nach Cottbus; der 1. FC Union empfing am Nachmittag in der Wuhlheide Rot-Weiß Erfurt. Bis zum frühen Nachmittag blieb es bei beiden Spielen erst einmal ruhig. Brisant wird es wieder nächste Woche: Dann spielt Union Berlin in Dresden. Die Polizei rechnet erneut mit schlimmen Krawallen. André Görke

Gewalt im Stadion : Im Zweifel gegen den Fußballfan

Die Bundesliga-Kolumne

Im Zweifel gegen den Fußballfan

Thomas Wark zum "Mode-Thema" Gewalt im Stadion
Das Thema ist dabei, Mode zu werden: "Gewalt kehrt in die Fußballstadien zurück", glaubt beispielsweise die "Welt am Sonntag" und schafft dafür gar Platz auf Seite eins. Keine neuen Enthüllungen aus Afghanistan, keine internationale Empörung über neue Skandal-Photos - stattdessen Krawalle in Berlin und Augsburg.

von Thomas Wark, 30.10.2006

Die ARD eröffnet ihre Sportschau mit Bildern aus Berlin, wo das Regionalligaspiel von Herthas Amateuren gegen Dresden von derart heftigen Auseinandersetzungen begleitet wurde, dass Beobachter nun von den schlimmsten Zuständen seit Jahren sprechen. Erste Phrasen aus der Politik lassen nicht lange auf sich warten: CSU-Generalsekretär Markus Söder fordert in der "Mittelbayrischen Zeitung", "sich mit Hochdruck der wachsenden Gewalt in den Stadien zu widmen."
Willkürliche Stadionverbote

Ein Aufschrei geht durchs Land, ähnlich hysterisch wie nach den Vorkommnissen an der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln, als Politiker tagelang vor Betroffenheit trieften und Journalisten ein Jahresthema gefunden zu haben glaubten. Die Rütli-Problematik wollte vorher keiner gekannt haben - ähnlich verhält es sich mit der Gewalt in den Fußballstadien. Und nächsten Monat, spätestens, wenn der Nikolaus kommt, wird die Wellenbewegung des populären Themas abgeebbt sein. Vorher aber könnte man ja mal nachdenken, über die Willkürlichkeit von Stadionverboten etwa. Die Münchner Arena steht außerhalb jeglichen Verdachts, ein Hort organisierter Fan-Kriminalität zu sein. Und doch fallen seit einigen Monaten breite Spruchbänder auf, in denen zu Solidarität mit den "Ausgesperrten" aufgerufen wird. Münchens "Schickeria", eine Ultragruppierung alternativer Orientierung, blieb dem Pokalfinale 2006 in Berlin fern, weil zuvor 59 Mitglieder in juristisch zweifelhaften Verfahren mit Stadionverboten belegt worden waren.
Kriminalisierung der Fans

Landesweit beklagten Fanclubs eine "Kriminalisierung" ihrer Mitglieder. Es waren die Tage vor der Weltmeisterschaft und im Land ging die große Angst vor Hooligans um. So gab es auch in Frankfurter Fankreisen Überlegungen, dem Finale in Berlin aus Protest fernzubleiben. Doch die überwältigende Resonanz auf die Choreographie beim Halbfinale gegen Bielefeld ließ die Eintracht-Anhänger noch einmal über die vielen willkürlichen Stadionverbote hinweg sehen. Doch auch hier ist Ernüchterung eingetreten. Die meisten Transparente in der Frankfurter Arena hängen seit einigen Wochen aus Protest kopfüber an den Tribünen, die Fronten verhärten sich und der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen reagiert mit Nichtbeachtung, obwohl gerade er die Situation entschärfen könnte. Mir liegen Fälle vor, die keiner juristischen Prüfung standhalten würden, doch in keinem ist ein Stadionverbot zurückgenommen worden. Sturheit des Vereins gegen Verbitterung seiner Fans - Konfliktpotential! Die üblichen ErklärungsmusterUm Missverständnissen vorzubeugen: diese Beispiele aus der Fanszene sollen keine Erklärungen für zunehmende Gewalt in den Stadien liefern, zumal ohnehin noch zu beweisen wäre, ob diese tatsächlich zunimmt. Vielmehr werden jetzt alte Erklärungsmuster wieder an die Oberfläche gespült: die sozialen Verschlechterungen in Zeiten von Hartz IV, daraus resultierendes Abreagieren von Frustrationen, die Zunahme rechter Gewalttaten im Umfeld des Fußballs und das Ansteigen rassistischer Tendenzen. Argumente, die schon in der 70er Jahren herangezogen wurden, sieht man von der besonderen Problematik in den neuen Bundesländern ab.
Was also tun?
Politikern folgen, denen in ersten Stellungnahmen nichts anderes einfällt, als die Forderung nach weiteren Stadionverboten? Vielleicht sind Fachleute wie Konrad Freiberg von der Gewerkschaft der Polizei eine bessere Anlaufstelle, auch ein Dialog mit den Chefs der "Ultras" kann Informationsdefizite abbauen helfen.
"Wahre Fans" unter falscher Flagge

Vielleicht wäre dann auch dem ARD-Reporter, der das Länderspiel Slowakei gegen Deutschland kommentierte, folgender kleiner Zwischenfall erspart geblieben: Als die Kameras nach Bildern der Ausschreitungen in Bratislava einen anderen Block mit deutschen Zuschauern zeigte, sprach der Kollege von den "wahren Fans." Unglücklicherweise hielt einer von diesen Fußballfreunden Sekunden danach die Reichskriegsflagge in den Abendhimmel.
Quelle ZDF

Hooligans : der neue Hooliganismus wird toleriert

Der neue Hooliganismus wird toleriert
Das WM-Sommermärchen gibt es nur noch im Kino, auf Deutschlands Fußballplätzen ist der Alltag zurückgekehrt. Doch der Hooliganismus 2006 ist kein fußballspezifisches, sondern eine gesellschaftspolitisches Problem - und muss dementsprechend bekämpft werden.Von Ralf KöttkerEs ist noch nicht lange her, da lag sich ganz Deutschland freudentrunken in den Armen und feierte die Fußball-Weltmeisterschaft. Es ging um Tore und Toleranz, nicht um Hautfarbe oder Herkunft. Mittlerweile gibt es das Sommermärchen nur noch im Kino. Auf und neben deutschen Fußballplätzen ist der Alltag zurückgekehrt. Und mit ihm die Probleme. Ein Pokalspiel in Stuttgart musste wegen eines Bierbecherwurfs abgebrochen werden, bei der Bundesliga-Partie am Samstag zwischen Hertha BSC Berlin und Cottbus gilt die höchste Sicherheitsstufe. Und im Siegerland fallen aus Protest gegen zunehmende Brutalität alle Kreisligaspiele aus. Dass es bei der WM nicht zu größeren Ausschreitungen kam, ist kein Indikator für einen Bewusstseinwandel, sondern vielmehr das Resultat massiver staatlicher Präventionsarbeit. Gewalt im Fußball ist ein latentes Problem, das nur kurzzeitig durch kollektive WM-Begeisterung überspielt wurde. Und die Bekämpfung wird immer schwieriger, weil sich die Gewalttäter verändert haben. Der altmodische Hooligan in seiner Definition als unpolitischer, keiner speziellen sozialen Gruppe zugehöriger Randalierer ist ein gesellschaftliches Auslaufmodell. Seit dem Angriff auf den französischen Polizisten Daniel Nivel bei der WM 1998 wurde diese Schlägerszene kontinuierlich geschwächt. Die neue Form des Hooliganismus hat eine andere, viel schwerer greifbare Gestalt. Die Gruppierungen kommen größtenteils aus sozialen Problemmilieus, ihre Mitglieder haben eine dementsprechend niedrige Qualifikation und wenig Perspektiven. Während es bei den früheren Hooligans nur eine kleine Schnittmenge mit einer politisch motivierten Szene gab, sind die heutigen Mitglieder häufig auch Teil des rechtsextremen Spektrums. Übergänge zwischen rechtsradikalen Vereinigungen und Fangruppierungen sind fließend. Rassismus wird deshalb immer mehr Teil der Randale. So lassen sich auch die Übergriffe der vergangenen Wochen erklären. Der schwarze Schalker Gerald Asamoah wurde in Rostock mit Affengebrüll diskriminiert, der Gladbacher Kahe in Aachen als Asylant beschimpft, Sachsen Leipzigs Nigerianer Ogungbure in Halle angegriffen. Deutsche Gewalttäter marschierten am Rande des Länderspiels in der Slowakei im Stechschritt durch Bratislava. Und in Berlin wurde die Kreisliga-Partie zwischen Altglienicke II und TuS Makkabi II wegen antisemitischer Beleidigungen abgebrochen. Neben der gezielten Provokation gehört die extreme politische Parole zum Auftritt. Die Verbände sind dabei, auf die neue Problematik zu reagieren. In Anlehnung an Artikel 55 des Disziplinarreglements des Weltverbandes Fifa hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) härtere Sanktionen für Vereine bei fremdenfeindlichen Vorkommnissen beschlossen und bereits umgesetzt. Der Strafenkatalog reicht von Geldbußen über Platzsperren bis hin zu Punktabzügen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat gerade einen hauptberuflichen Fanbeauftragten eingestellt, der an der Basis wirken soll. Dazu werden Fanprojekte in den einzelnen Vereinen nicht nur mit Ratschlägen, sondern auch mit einer Million Euro gefördert. Es geht um die eigennützige Imagepflege der Marke Bundesliga, aber auch um das ehrlich gemeinte Anliegen, den neuen Hooliganismus zu verdrängen. Das Problem ist allerdings, dass er sich meistens nur verlagert. Die neuen Fußball-Krawallmacher haben ihr Betätigungsfeld längst in die unteren Spielklassen verlegt, in Kreis-, Ober- oder Regionalligen. Dort gibt es keine szenekundigen Beamten oder Konfliktmanager, keine massiven Polizeikontrollen, keine Videoüberwachung der Tribünen. Die Gewalttäter müssen Strafverfolgung oder sportgerichtliche Einflussnahme kaum fürchten, weil den Vereinen die finanziellen Mittel dazu fehlen. Manchmal fehlt auch der Wille. Dass es dabei auffallend oft in der ostdeutschen Fußballprovinz zu rassistischen Übergriffen kommt, ist kein Zufall. In Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen mit einem vergleichsweise hohen Anteil von Wählern oder Sympathisanten rechter Parteien ist die soziale Kontrolle geringer. Der neue Hooliganismus wird von einer schweigenden Menge toleriert und damit akzeptiert. Die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen oder die Restriktionen der Verbände greifen deshalb zu kurz. Hooliganismus 2006 ist kein fußballspezifisches, sondern eine gesellschaftspolitisches Problem. Dem Wandel der gewaltbereiten Szene kann nur mit einem Bewusstseinswandel begegnet werden. Fußballplätze dürfen nicht als eigenständige Problemfelder, sondern müssen als öffentliche Orte begriffen werden, auf denen nur eine Maxime Erfolg verspricht: Gewalt und Rassismus sind nur dann zu bekämpfen, wenn sie von der Mehrheit ins Abseits gestellt werden.
Artikel erschienen am 27.10.2006 Quelle : Die Welt

Hooligans : Dynamo Dresden

DFB-Kontrollausschuss ermittelt gegen Dynamo Dresden

30.10 18:21 Frankfurt/Main (dpa) - Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat am Montag ein Ermittlungsverfahren gegen den Nord-Regionalligisten Dynamo Dresden eingeleitet. Nach den schweren Ausschreitungen von Dresdner Anhängern am vergangenen Freitag während des Regionalliga-Spiels Hertha BSC Berlin II gegen Dynamo (1:1) wurde Dresden zu einer zeitnahen schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Wie der DFB am Montag mitteilte, soll "im Anschluss daran über den weiteren Fortgang des Verfahrens" entschieden werden.
In Berlin wurden bei den Krawallen von Dresdner Fans 38 Menschen verletzt, darunter 23 Polizisten. Vier Beamte wurden mit Rippenprellungen, wegen Verdachts auf Knochensplitterungen und Gelenkverletzungen ins Krankenhaus gebracht, teilte die Polizei mit, die 500 Beamte eingesetzt hatte. 22 Personen wurden festgenommen. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung. Auch gegen zwei Polizisten wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Aufgeschreckt durch die jüngsten Ausschreitungen in deutschen Stadien wie in Berlin, Augsburg und Pforzheim haben der DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) für diesen Dienstag zu einem "Grundsatzgespräch" in die Frankfurter DFB-Zentrale über die gravierenden Vorfälle des vergangenen Wochenendes geladen. DFB- Präsident Theo Zwanziger und Liga-Präsident Werner Hackmann erklärten den "Gewalt-Gipfel" zur Chefsache.

Nazis im Stadion : LOK Leipzig

Rassismus : 1.FC Saarbrücken

R.Klimmt von Süd-Regionalligist Saarbrücken verharmlost Rassismus in Fußballstadien:
Uh, Uh Rufe gegen farbige Spieler sollen keinRassismus sein
DFB schweigt dazu
„Während der DFB aktiv gegen rassistische Ausschreitungen beiFußballfans vorgeht, verhält er sich gegenüber der Tolerierung vonRassismus in den Vereinsführungen seltsam zurückhaltend“. So kommentiertChristoph Goergen von der Fußball AG der „Aktion 3. Welt Saar“ dasNichtstun des DFB gegenüber dem Süd-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken.Der Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins und ehemaligeBundesverkehrsminister, Reinhard Klimmt“, hatte erklärt, dass „Uh,Uh,Uh Rufe gegen farbige Spieler kein Rassismus“ seien. Diese Aussagetraf er bereits am 18. Mai 2006 auf einer öffentlichen Veranstaltung derFriedrich Ebert Stiftung, Büro Mainz und des „Netzwerkes für Demokratieund Courage“ in der Hermann Neuberger Sportschule in Saarbrücken. DasThema der Podiumsrunde war „Fußballfeld – Nährboden für Rechtsextremismus?“
„Ich bin prinzipiell gegen jede Verharmlosung von rassistischenÄußerungen, sowohl auf den Rängen als auch in den VIP-Logen. Wer dieAbwertung farbiger Spieler wegen ihrer Herkunft verharmlost, erteiltrassistischem Verhalten einen Freibrief“, so Goergen. An der Diskussionnahmen unter anderem noch Christian Hirsch für die Fußball AG der„Aktion 3.Welt Saar“ und für B.A.F.F. (Bündnis aktiver Fußballfans)teil. Der stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende und Hansa Rostock FanChristian Reinke saß im Publikum und protestierte gegen die skandalösenAussagen seines Parteifreundes.
Kontakt und Information: Fußball AG der„Aktion 3,. Welt Saar“

der kleine Fanladen : der Sommerschlaf ist vorbei ...

okay nachdem der kleine fanladen blog in einen schlaf gefallen ist hoffen wir ab sofort wieder etwas aktueller zu werden ...

26 April 2006

der kleine fanladen


Der kleine Fanladen Ludwigsburg lädt ein :
Fußball vs. Countrymusik
eine Kleinfeldlesung mit Gerd Dembowski & ein Live Konzert mit "Cordoba 78"
Gerd Dembowski liest... und hält Gegenstände hoch. Von St. Pauli bis Johnny Cash, aber immer gegen Deutschland. Und wenn er schlecht drauf ist, gibts auch Gesang. Es geht ums erste Tor, um den Fanladen St. Pauli, um Fußball als Schmiermittel der Gesellschaft und zwischen durch geht es immer auch um Countrymusik. Dies alles hat garantiert nix mit der WM 2006 gemein. Was würden Sie tun, wenn sie Maradona in Buenos Aires auf der Straße treffen? Was hat Johnny Cash mit dem FC St. Pauli gemein? Wieso wird Deutschland nicht Weltmeister 2006? Und was macht eigentlich Horst Hrubesch? - Hören Sie Fußballtexte jenseits der 1:0-Berichterstattung, von Abneigungen gegen die Hertha bis zu Zuneigungen für das nordkoreanische Team, das bei der WM 1966 den Favoriten Italien aus dem Turnier warf. Satire vom härtesten, Poesie vom feinsten... Erscheinen Sie zahlreich, wenn möglich manisch! Zur Person: Dembowski hat irgendwie mit St. Pauli zu tun. Zuletzt veröffentlichte er in Ballbesitz ist Diebstahl. Fußballfans zwischen Kultur und Kommerz, schreibt ab und an für das St. Pauli-Fanzine Übersteiger. Er 2004 sang er zur Eröffnung der Oberliga-Saison im Mommsen-Stadion in der Countryband Günter Gabriel, schoss danach bei der antirassistischen Fußball-WM in Montecchio/Italien zwei Tore und lehnt sich seitdem etwas zurück. Er arbeitete von 1995 bis 2000 auch in zwei Duisburger Fanprojekten und war lange Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußballfans. Er organisierte die Ausstellung “Tatort Stadion. Rassismus und Diskrimineriung im Fußball mit, die es durch einen Streit um rechtsorientierte Zitate des DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder bis auf die Titelseite der Zeit und in die ARD-Tagesthemen schaffte. Heute lebt er als freier Autor in Berlin und Brighton und eröffnet am 3. Mai 2006 im Hamburger Knust die neue Ausstellung Ballarbeit. Fußball und Migration im Flutlicht für das Netzwerk Football Against Racism in Europe
"Cordoba 78" spielen Songs vom und um den Fussball. Lieder von großen Spielernund Unbekannten die es gerne geworden wären. Musik und Fussball alsPlattform in einem aus Spaß an der Musik und vergessene Helden zum Leben zuerwecken. ein Projekt das aus Freundschaft entstand und im WM Jahr 2006gerade zu passend erscheint ein paar Songs zur einstimmung auf die WM zuspielen. 1978 waren wir noch Kinder uns so heißt es auch in einer Textzeile"in einer Zeit als Mädchen noch nicht wíchtig waren und jeder zweiteRummenigge war"
Samstag, den 13.Mai 2006 21 Uhr
Eintritt 5.- €
DemoZ Wilhelmstrasse 45/1 71638 Ludwigsburg

02 April 2006

RL Nord : Ausschreitungen auf St.Pauli

Ausschreitungen auf St. Pauli
Zwar hat der FC St. Pauli den Chemnitzer FC heute 3:2 besiegt, doch schon während der Regionalliga-Partie kam es zu Zwischenfällen. Nach dem Spiel musste mehrere hundert Polizeibeamte dann die beiden aufgebrachten Fanlager trennen.

Hamburg - Die Partie musste kurz vor der Pause für knapp fünf Minuten unterbrochen werden, weil im Gäste-Block Knallkörper gezündet worden waren. Nach einer Unterbrechung pfiff aber Schiedsrichter die Partie wieder an. Die Stimmung sei aufgeheizt gewesen, sagte eine Sprecherin des Lagezentrums.

Aufgebrachte Chemnitz-Fans: Rauchbomben im Millerntor-StadionNach Ende der Partie hielt die Polizei bis zu 400 Chemnitzer Anhänger zunächst im Stadion fest, damit sie nicht auf die aufgebrachten St. Pauli-Fans trafen. Rund 300 von ihnen hatten sich, nachdem sie durch rechte Parolen seitens der Gästefans provoziert worden waren, versammelt und wurden immer wieder von der Polizei aufgefordert, ihren Standort zu räumen. Die Chemnitzer Fans wurden von der Polizei aus dem Stadion geführt und mit Bussen zum Hauptbahnhof gebracht.
Dabei wurden sowohl die Busse als auch die Polizeiwagen nach Augenzeugenberichten mit Flaschen und Dosen beworfen. Dabei gingen auch Scheiben zu Bruch. Zudem zogen sich einige Fans Platzwunden zu. Mehrere hundert Beamte waren im Einsatz.
Es habe nach dem Spiel auch Angriffe auf die Einsatzkräfte gegeben, sagte die Sprecherin. Wasserwerfer seien zum Einsatz gekommen. Eine Straße am Stadion war abgesperrt worden, wodurch es zu Staus und Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt kam.

Rassismus : Ein ganz nornaler Samstag







Ein ganz normaler Samstag
Von Mike Glindmeier und Jens Todt
Sie singen "eine U-Bahn von St.Pauli nach Auschwitz". Sie imitieren Affengeräusche, pöbeln gegen Türken: In Amateur-Stadien pflegen Fansoffen Antisemitismus und Rassismus. Ein SPIEGEL-ONLINE-Report voneinem ganz normalen Fußball-Samstag.Der Hass ist unüberhörbar: "Drecksjude, gib Gas", hallt es durch dasBerliner Sport Forum, der Heimspielstätte des BFC. Mit "Drecksjude"ist ein Spieler der Gästemannschaft Tebe Berlin gemeint, der imOberliga-Derby beim BFC Dynamo kurz vor dem Abpfiff nach einem Foulauf dem Boden liegen bleibt. "Die Juden muss man alle in eine Tütestecken und in ihre Heimat schicken", wettert ein BFC-Anhänger inTarnjacke. Widerworte sind keine zu hören. Tebes Pressesprecher HagenLiebing kennt derlei Provokationen: "Diese Judennummer gehört beim BFCdoch schon zur Folklore", sagt Liebing genervt.Hintergrund der antisemitischen Äußerungen von den Rängen ist eineuralte Rivalität der beiden Stadtnachbarn. Zur Blütezeit der"Lila-Weißen", wie die Charlottenburger aufgrund ihrer Trikotfarbengenannt werden, waren rund 15 Prozent der Mitglieder jüdischenGlaubens. Das war in den 1920er Jahren. Noch heute wird der Verein vongegnerischen Fans als "Judenclub" bezeichnet.Neben Antisemitismus wird auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufder altehrwürdigen Sportanlage, die im Stadtteil Hohenschönhausenzwischen Plattenbauten und stillgelegten Industrieanlagen liegt, offenausgelebt. "Hast Du das mit dem Neger aus Leipzig mitbekommen, der denHitlergruß gemacht hat?", will ein kurzrasierter Mitdreißiger mitBFC-Kappe und weit aufgerissenen Augen von seinem Nachbarn wissen."Klar, das ist einer von uns", johlt sein offensichtlichalkoholisierter Gegenüber und lacht, während die beiden ihrePlastikbecher gegeneinander stoßen. Bier schwappt auf ihre Schuhe, ehesie Arm in Arm ein lautes "Lilaweiße Westberliner Scheiße" genGästeblock schmettern.Viele Besucher tragen ihre Gesinnung offen zur Schau: "Dauerkartestatt Döner", prangt in altdeutscher Schrift auf dem T-Shirt einesmuskelbepackten Anhängers. Die bei Rechtsradikalen beliebte Modemarke"Thor Steinar" gehört offenbar ebenso zur Etikette wie Shirts mit derAufschrift "Hooligan" oder "Kategorie C". Diese Begriff stammt aus demPolizeijargon und bezeichnet "gewaltsuchende Fans". Nach Schätzungender Sicherheitsbehörden gibt es rund 3000 Kategorie-C-Fans, über dieHälfte davon kommt aus den neuen Bundesländern. In Berlin sind derzeitetwa 300 Personen dieser Kategorie zugeordnet, knapp 1000 Anhängergelten als "gewaltbereit" (Kategorie B). Als Verein mit den meistengewaltbereiten Fußballfans gilt der BFC Dynamo.Der Großteil des Stadions gleicht einer national befreiten Zone,ausländische Besucher verirren sich kaum nach Hohenschönhausen."Schwuchtel" gehört noch zu den harmloseren Dingen, die dasSchiedsrichtergespann bei umstrittenen Entscheidungen ertragen muss.In diesem Zusammenhang wirkt Punkt vier der Stadionordnung, die aufeiner lieblos gestalteten Plastiktafel an der seitlichen Fassade derTribüne hängt, wie ein Ruf ins Leere. "Diskriminierende Äußerungen undBeleidigungen sind grobe Unsportlichkeiten und sind zu unterlassen",steht da geschrieben. Bei Zuwiderhandlungen behält sich der VereinStadionverbote gegen die Übeltäter vor. Hätte der Gastgeber an diesemSamstag seine Stadionordnung konsequent umgesetzt, wäre rund einDrittel der 1007 Besucher schon zur Halbzeit nicht mehr anwesendgewesen."Eine U-Bahn von St. Pauli bis nach Auschwitz"Hässliche Szenen auch in Hamburg. Dort gibt es regelmäßigAuseinandersetzungen, wenn der FC St. Pauli Gegner aus dem Ostenempfängt. So auch am Samstag im Spiel gegen dasRegionalliga-Schlusslicht aus Chemnitz. Schon in der ersten Halbzeitkommt es zur Eskalation: Rund 200 Anhänger provozieren die alspolitisch links bekannten Fans des FC St. Pauli mit Liedern wie "EineU-Bahn bauen wir, von St. Pauli bis nach Auschwitz" oder "Galatasaray,wir hassen die Türkei".Dass es bei dieser brisanten Begegnung zu Problemen kommen könnte, warlaut St. Paulis Sicherheitsbeauftragten Sven Brux absehbar: "Es istjedes Mal das Gleiche. Im Vorfeld werden unsere Bedenken von Seitendes Gastvereins mit den Worten 'da passiert schon nichts' abgetan",sagt Brux. Seine Stimme überschlägt sich dabei fast vor Wut. "Nach demSpiel heißt es dann: 'Wir wissen auch nicht, wo die herkommen'", soBrux weiter. Ein weiterer Grund für seinen Zorn: St. Pauli hatte diePolizei bereits während des Spiels nach einer heftigenRauchbombenattacke des Chemnitzer Anhangs und diverser weitererProvokationen dazu aufgefordert, den Block zu räumen, um einAufeinandertreffen der rivalisierenden Fangruppen nach dem Spiel zuvermeiden - vergebens.Erst eine Stunde nach dem Schlusspfiff besteigen die Chemnitzer unter"Hier marschiert der nationale Widerstand"-Gesängen die von derPolizei angeforderten Sonderbusse. Aus ihren Mienen spricht eine klareBotschaft: Wir haben zwar das Spiel 2:3 verloren, aber uns gehört dieStraße. Rund um das Millerntor gehen die Beamten derweil mitWasserwerfern gegen Hamburger Fans vor, die Barrikaden errichtethatten. Die abfahrenden Busse werden mit Steinen und Flaschenbeworfen. Erst nach einer weiteren Stunde kehrt Ruhe ein."Im Grunde sind die nicht rassistisch"Etwas weniger zu tun haben die Ordnungskräfte in Dresden. Am DresdnerJägerpark parken gut zwei Dutzend Polizeifahrzeuge in der schmalenStraße zwischen dem Stadion und dem angrenzenden Wohngebiet. Rund 100sächsische Bereitsschaftspolizisten wurden abgestellt, um am heutigenNachmittag die Sicherheit zu garantieren. "Eigentlich wären wir nochmehr gewesen, aber wegen der Elbflut wurden uns Kräfte abgezogen",sagt ein Polizist. Die Beamten müssen nicht etwa eine Großdemobegleiten, Grund für ihre Anwesenheit ist ein Fußballspiel der viertenLiga.Der FV Dresden Nord erwartet den Oberliga-Spitzenreiter FC Magdeburg,dessen Anhänger stets in großer Zahl die Auswärtsspiele der Mannschaftbegleiten. "In dieser Liga haben wir jede Woche ein Heimspiel", sagtein angereister Zuschauer. Gut zweihundert Fans passieren den schmalenStadioneingang, argwöhnisch beobachtet von den Polizisten. Die Beamtentragen Schutzwesten und Schulterprotektoren, den Helm halten sie inder Hand. Viele Magdeburger Anhänger wanken betrunken voran, einigekönnen sich kaum noch auf den Beinen halten. Stämmige Männer mitkahlem Schädel sind darunter, Frauen sind kaum zu sehen. Kinderüberhaupt nicht."Eigentlich haben wir mit den Magdeburgern keine allzu großenProbleme", sagt eine junge Beamtin. Als sei es Normalität, dass einePolizei-Hundertschaft ein viertklassiges Spiel absichert. Es gebenatürlich gelegentlich Ärger, auch rassistische Pöbeleien, abereigentlich halte sich meist alles im Rahmen. "Im Grunde sind die nichtrassistisch", so die Polizistin, "aber wenn sie betrunken sind undFrust haben, sind die gegen alles. Gegen den gegnerischen Verein,gegen Ausländer, gegen die Polizei, gegen alle." Ein Magdeburger Fansagt, er finde es "schlimm, dass alle immer auf den Osten einprügeln,wenn etwas passiert." Ein Polizist beklagt, dass "die Schläger" immerhäufiger bei den Spielen der unteren Ligen auftauchen, weil es dortnormalerweise einfacher sei, sich zu prügeln.Als zu Beginn der zweiten Halbzeit der Magdeburger Stürmer RenéN'Dombasi, ein Schwarzer, eingewechselt wird, sagt ein Jugendlicherauf der Haupttribüne des Stadions zu sich selbst: "Komm, Affe, renn!"Als N'Dombasi den Dresdner Torwart foult, imitiert eine HandvollDresdner Fans für einen kurzen Moment Affengeräusche. "Hey, ihr habtdiese Geräusche gemacht", sagt einer aus der Gruppe, "das finde ichgar nicht gut." Alle lachen. Fußball wurde auch gespielt am Jägerpark.Der abstiegsgefährdete Gastgeber besiegte Magdeburg mit 4:1. Hinterhersagt ein Polizist, dass es keine besonderen Probleme gegeben habe."Alles normal."

Neonazis : Hetze gegen Owomoyela


NPD hetzt gegen Nationalspieler
Der Rassismus in Deutschland nimmt immer unerträglichere Formen an:
Jetzt hetzt die NPD mit einem WM-Planer gegen den Nationalspieler Patrick Owomoyela. Neonazis wollen die Fußball-WM als Propagandaplattform nutzen.

Hamburg - Die rechtsradikale NPD hat einen eigenen WM-Planer veröffentlicht, der mit dem Motto "Weiß - nicht nur eine Trikotfarbe - Für eine echte NATIONAL-Mannschaft" beworben wird. Der Schriftzug zieht sich über das Foto eines Trikots mit der Nummer 25 - die Nummer des Nationalspielers Owomoyela (anders als zuvor berichtet zeigt der Planer nicht Owomoyela selbst). Die Herausgeber spielen damit in provokanter Weise auf die deutsch-afrikanische Abstammung des Nationalspielers an.


Harald Stenger, Komminikationsdirektor beim DFB, bestätigte SPIEGEL ONLINE, dass "markante Auszüge des Dokumentes dem DFB vorliegen". Darüber hinaus werden derzeit rechtliche Schritte gegen die Partei geprüft. Auch Owomoyelas Arbeitgeber, Werder Bremen, will gegen die Kampagne vorgehen.

Owomoyela ist nicht der erste deutsche Nationalspieler, der ins Kreuzfeuer der Neonazis geraten ist. Auch der Schalker Profi Gerald Asamoah war bereits Ziel rechtsradikaler Hasstiraden. Der "Schutzbund Deutschland" aus Halle an der Saale und Pritzwalk hatte ein Plakat geklebt, auf dem ein Foto des gebürtigen Ghanaers und eine fremdenfeindliche Parole gedruckt waren. Nach Androhung juristischer Konsequenzen wurde das Foto Asamoahs durch eine Karikatur des Stürmers ersetzt.Die Rechtsradikalen nutzen den Fußball im WM-Jahr verstärkt als Plattform. Offenbar sind während der WM in Deutschland große Aufmärsche geplant, um die internationale Aufmerksamkeit zu nutzen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bereits angekündigt, rechtextreme Auswüche "mit allen Mitteln" zu bekämpfen. Der Weltverband Fifa hat den Kampf gegen Rassismus im Fußball bereits verstärkt. Seit Samstag ist der abgeänderte Artikel 55 des Fifa-Disziplinarreglements in Kraft, der härtere Strafen bei rassistischen und diskriminierenden Vorfällen ermöglicht. Als Sanktionen gegen Vereine sind nunmehr Punktabzüge oder auch ein Zwangsabstieg möglich

Rassismus : FIFA droht mit Zwangsabstieg


Rassistische Übergriff - Fifa droht mit Zwangsabstieg


Die rassistischen Anfeindungen gegen den Fußballspieler AdebowaleOgungbure ziehen weitere Kreise. Heute hat sich derFußball-Weltverband zu den Vorkommnissen geäußert und harte Sanktionenangekündigt, sollten die Vereine nichts gegen fremdenfeindlicheVorfälle unternehmen.Leipzig - Fifa-Generalsekretär Urs Linsi verwies im Zusammenhang mitden Übergriffen auf den Spieler des Oberligisten Sachsen Leipzig aufden neuen Strafenkatalog des Verbandes hin, der auch in den unterenSpielklassen gilt. Danach drohen Vereinen Punktabzug, Platzsperrenoder sogar der Zwangsabstieg.Linsi hat in dieser Woche einen Brief an alle Verbände verschickt, indem er die Umsetzung der neuen Regel fordert. Als Zeitvorgabe gilt der1. Juli. Anlass der Regelverschärfung waren vor allem rassistischeVorfälle in Spanien und Italien. "Aber natürlich werden wir auchdarauf achten, dass so etwas in der vierten deutschen Liga bestraftwird", sagte Linsi dem "Tagesspiegel". Bislang waren Sanktionen gegenRassismus von der Oberliga abwärts Sache der Landesverbände und nichtdes DFB.Der nigerianische Stürmer Ogungbure war am vergangenen Samstag bei derOberliga-Begegnung beim Halleschen FC von der Tribüne rassistischbeleidigt worden und hatte auf die permanenten Provokationen mit demHitlergruß reagiert. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Spieler wegendes Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole wurde inzwischen von derStaatsanwaltschaft Halle eingestellt, weil Ogungbures Verhalten alsProtest und nicht als Verherrlichung einer verbotenen Organisationgewertet wurde."Es war nicht das erste Mal, dass ich beschimpft wurde. Doch bislanghabe ich mich auf mein Spiel konzentriert. So schlimm wie in Halle wares aber noch nie. Das tut weh", sagte Ogungbure. Furcht vor weiterenÜbergriffen hat der 24-Jährige vor dem Heimspiel der Leipziger amSonntag gegen Plauen nicht. "Ich kenne keine Angst. Ich habe immerversucht, gegen Rassismus zu kämpfen, und werde das auch weiterhinmachen. Ich bin stolz, dass der Verein und unsere Fans dabei hintermir stehen. Hier habe ich eine Familie gefunden", sagte derNigerianer.

Neonazis : Naziaufmärsche während der WM


Rechtsextremisten wollen während der WM aufmarschieren

Die rechtsextreme Szene will während der Fußball-Weltmeisterschaft mit gezielten Provokationen Aufmerksamkeit erregen.

Nach Erkenntnissen von Verfassungsschützern planen NPD und Neonazis mehrere Demonstrationen, um sich mit dem judenfeindlichen Staatspräsidenten des Iran, Mahmud Ahmadinedschad, zu solidarisieren. Ahmadinedschad ist bei Rechtsextremisten populär, weil er den Holocaust leugnet und die Vernichtung Israels fordert. Fünf Aufmärsche hätten NPD und Neonazis bereits angemeldet, sagten Verfassungsschützer dem Tagesspiegel. Am 10. Juni, dem ersten Tag nach Beginn der WM, wollten die Rechtsextremisten in Gelsenkirchen demonstrieren. Vier weitere Märsche seien zwischen dem 3. Juni und dem 25. Juni in Thüringen angemeldet. Wahrscheinlich werde die Szene eine ganze Serie von Demonstrationen während der WM inszenieren.

Die Rechtsextremisten setzten darauf, dass die bei der Weltmeisterschaft stark strapazierte Polizei "ein geschwächter Gegner sein wird", warnte ein Verfassungsschützer. Neben den Aufmärschen plant die NPD nach Informationen anderer Sicherheitsexperten eine weitere Provokation: Zur Weltmeisterschaft solle eine CD mit einschlägiger Musik produziert und an Fußballfans verteilt werden. Auf dem Cover sei ein Bild des Kapitäns der deutschen Weltmeistermannschaft von 1954, Fritz Walter, vorgesehen. Die NPD hatte schon vor der Bundestagswahl mit einer CD Ärger verursacht. Sie wurde gratis vor Schulen verteilt, es kam zu Konflikten mit Lehrern.

Sorge bereitet Verfassungsschützern im Vorfeld der WM auch die Verbindung zwischen der teilweise rechtsextremen deutschen Hooliganszene und den als besonders brutal geltenden polnischen Fußballrandalierern. Die Hooligans aus dem Nachbarland verbreiten derzeit in der deutschen Szene die professionell gemachte Publikation "Der Grenzgänger", in der wüste Schlägereien glatzköpfiger Fußballfans sowie Schlachten mit der Polizei am Rande polnischer Fußballspiele bejubelt werden. Sicherheitsexperten befürchten, das mehr als 130 Seiten starke Heft sei eine Anleitung für Krawalle bei der Weltmeisterschaft. Als gefährdet gilt vor allem Berlin wegen seiner Nähe zur polnischen Grenze. Im vergangenen November hatten sich polnische und deutsche Hooligans zu einer verabredeten Schlägerei in einem Wald nahe Frankfurt (Oder) getroffen. Dabei mischten mindestens fünf deutsche Neonazis mit.
Um der Hooligan-Gefahr besser zu begegnen, müssten die Kontakte zwischen den deutschen und polnischen Sicherheitsbehörden rasch ausgebaut werden, fordern Verfassungsschützer. Beklagt wird, der polnischen Polizei fehle eine zentrale Hooligandatei. Am heutigen Donnerstag beginnt in Berlin eine internationale WM-Sicherheitskonferenz, an der 280 Experten teilnehmen

Sie nehmen Anstoß - Rechtsextremisten wollen bei der WM aufmarschieren
– die Organisatoren setzen bis jetzt auf ihr Hausrecht

Die rechtsextreme Szene will die Fußball-WM für Provokationen nutzen – gestern hat eine Konferenz zur WM-Sicherheit begonnen. Was wollen die Sicherheitskräfte gegen solche Aufmärsche unternehmen?Von André Görke und Frank Jansen
Zehn Wochen vor Beginn der Fußball- Weltmeisterschaft wächst der Unmut über die zu erwartenden Provokationen der rechten Szene. Der Zentralrat der Juden ist nach Worten seines Generalsekretärs Stephan Kramer „sehr besorgt“ über Aufmärsche und andere Aktionen, die NPD und Neonazis zur Fußball-Weltmeisterschaft planen. „Das ist ein Beweis dafür, dass sich die Rechtsextremisten im vorpolitischen Raum zunehmend ausbreiten“, sagt Kramer. Und er mahnt: Auch nach der Niederlage der DVU bei der Wahl in Sachsen-Anhalt gebe es „überhaupt keinen Grund für Entwarnung“. Die DVU hatte am Sonntag mit drei Prozent den Einzug in den Landtag klar verpasst. Kramer und mehrere Politiker hoffen nun, dass möglichst viele Fußballfans den Rechtsextremisten die passende Antwort geben. Friedlich, wie am 8. Mai 2005 in Berlin. Beim 60. Jahrestag von Befreiung und Kapitulation hatten tausende Nazi-Gegner am Bahnhof Alexanderplatz rechtsextreme Demonstranten so lange blockiert, bis diese wieder nach Hause fahren mussten.

Die neobraune Szene lässt sich allerdings von Rückschlägen nicht allzu lange beeindrucken. Verfassungsschützer hatten in dieser Woche berichtet, die NPD habe parallel zur WM bereits fünf Demonstrationen in Gelsenkirchen und Thüringen angemeldet. Dabei wollen die Rechtsextremisten ihre Solidarität mit dem judenfeindlichen Staatspräsident Irans, Mahmud Ahmadinedschad, bekunden. Ahmadinedschad steht weltweit in der Kritik, weil er die Vernichtung Israels fordert und den Holocaust leugnet.Ein NPD-Sprecher bestätigt, dass anlässlich der Spiele der iranischen Nationalmannschaft Demonstrationen „für Meinungsfreiheit“ geplant sind. Und eine zweite Provokation wird vorbereitet: Die NPD will eine CD mit einschlägiger Musik produzieren, die unter Fans verteilt werden soll. Der NPD-Sprecher prophezeit auch weitere „Überraschungseffekte“ während der WM. Und er nennt Regionen, in denen die NPD „Schwerpunkte“ setzen will: Berlin, Leipzig, das Ruhrgebiet, Nürnberg. In Berlin ist womöglich schon eine Art Testlauf geplant: Die NPD will bei einem der nächsten Heimspiele von Hertha BSC Aufmerksamkeit erregen – vor und wohl auch im Olympiastadion. Die Demokraten sind allerdings nicht bereit, Neonazis freien Lauf zu lassen. Deutschland werde rechtsextreme Bestrebungen vor, während und nach der WM mit allen Mitteln bekämpfen, kündigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag zu Beginn der WM-Sicherheitskonferenz an, die in Berlin stattfindet. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), erklärte seine Bereitschaft, an Gegenveranstaltungen zu rechtsextremen Aktionen bei der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Die geplanten Provokationen zeigten, „dass die Rechtsextremisten in Deutschland zunehmend frecher werden“. Die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth, appelliert an Zivilgesellschaft, Medien und vor allem die Fußballfans, „kreativ und laut gegen die geplanten Aufmärsche Farbe zu bekennen“. Roth fordert zudem „ein entschiedenes Durchgreifen von Polizei und Justiz“. Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dürften weder innerhalb noch außerhalb der Stadien einen Platz bekommen. Die Vizevorsitzende der Fraktion der Linkspartei/PDS, Petra Pau, ruft den Deutschen Fußball-Bund und die Nationalmannschaft zu einer Kampagne auf – unter dem Motto: „Rassisten die rote Karte zeigen!“Die Fußballgewaltigen wollen zumindest, so viel zeichnet sich bereits ab, die Provokationen der Rechtsextremisten nicht einfach hinnehmen. Die Verteilung rechtsextremer CDs in den Stadien werde „konsequent verhindert“, sagt der Vizepräsident des WM-Organisationskomitees (OK), Horst R. Schmidt. In den zwölf WM-Stadien werde man „konsequent vom Hausrecht Gebrauch machen“. Das Sicherheitspersonal sei angewiesen, auch auf T-Shirts der Fans zu achten, denn auf diesen könnten extremistische Parolen stehen. Vor jedem WM-Spiel sollen die Plakate der Zuschauer an den Stadionkassen entrollt und geprüft werden, „damit keine unliebsamen Botschaften an den Tribünen hängen“, sagt Schmidt. Nach Erkentnissen hochrangiger Ermittler wurde schon vor Monaten in „einschlägigen Internetseiten, die auch die Fußballszene kennt und nutzt“, dazu aufgerufen, sich bei Ordnungsdiensten und als WM-Volunteer zu bewerben. 15 000 freiwillige Helfer arbeiten in den WM-Stadien. „Das Projekt sollte unterwandert werden“, sagt ein Ermittler. Doch die Behörden und das WM-Organisationskomitee seien gewarnt. Bis Anfang Mai haben sie noch Zeit. Dann werden die Innenminister der Länder erneut zusammenkommen, um abschließend über die Sicherheitsmaßnahmen zu sprechen.

Rassismus


Internationale Konferenz unterstützt FIFA im Kampf gegen Rassismus
Zürich (dpa) - Eine internationale Konferenz mit Vertretern von UNO, EU und der deutschen Regierung hat dem Fußball-Weltverband FIFA im Kampf gegen Rassismus seine Unterstützung zugesagt. "Rassismus hat dem Fußball viel zu lange geschadet. Wir haben uns stets klar gegen diese Plage gestellt", sagte FIFA-Präsident Joseph Blatter in Zürich. Das FIFA-Exekutivkomitee hat jüngst eine Regelung verabschiedet, um bei rassistischen Verstößen härtere Strafen bis hin zu Punktabzügen oder Disqualifikationen verhängen zu können. "Jetzt, da wir über entsprechende Instrumente verfügen, kann die Fußballfamilie Rassismus und Diskriminierung effizient bekämpfen", sagte Blatter zum Abschluss der Konferenz am Dienstag. Diesem Anliegen wolle auch die Politik nachkommen. "Die Initiativen des Europäischen Parlaments und der FIFA sind wichtige Schritte hin zur Beseitigung jeglicher Form von Rassismus nicht nur im Fußball, sondern in der ganzen europäischen Gesellschaft", bekräftigte die Niederländerin Emine Bozkurt als Vertreterin des Europäischen Parlaments. Am vergangenen Wochenende hatte ein Vorfall in der Oberliga Nordost für Aufregung gesorgt, der nun auch den Deutschen Fußball- Bund (DFB) auf den Plan gerufen hat. Nach dem 2:2 zwischen dem Halleschen FC und dem FC Sachsen Leipzig war der Nigerianer Adebowale Ogungbure von Hooligans provoziert und angegriffen worden. Der Leipziger Spieler hatte mit einem Hitlergruß darauf reagiert. Die zunächst eingeleiteten Ermittlungen gegen ihn wegen öffentlichen Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole wurden wieder eingestellt. Der Geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger bat am Mittwoch den Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV), ihn über Details und die getroffenen Maßnahmen zu informieren. "Sobald diese Stellungnahme vorliegt, wird zu entscheiden sein, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich der DFB einbringen kann", sagte Zwanziger. Bei der Konferenz in Zürich hatten sich die Vertreter der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der deutschen Regierung, der Weltvereinigung der Profifußballer FIFPro, des europäischen Netzwerkes Football Against Racism in Europe (FARE), des WM- Organisationskomitees und der FIFA hinter die harten vom FIFA- Exekutivkomitee verabschiedeten Sanktionen gestellt.

HSV : Aufsichtsrat kämpft gegen dumpfe Fans


Aufsichtsrat kämpft gegen dumpfe Fans

HSV: Wieder Probleme mit Radikalen - Supporters gründen Dachverband.
INTERVIEW Axel Formeseyn über die Verharmlosung von rechten Sprüchen und skandalöse Nazi-Gesänge in der U-Bahn.

Von A. LAUX

Hamburg

ABENDBLATT: Herr Formeseyn, wie viele Fans würden Sie gerne beim HSV auswechseln?

AXEL FORMESEYN: Diejenigen, die der Meinung sind, sie könnten ihr Gehirn an der eigenen Haustür abgeben und erst nach dem Spiel wieder einpflanzen. Für die nicht alleine der HSV zählt. Die sich nur produzieren wollen. Die nur dumpfes, latent rechtes Anti-Gehabe gegen alles und jeden drauf haben.

ABENDBLATT: Reden wir über eine kleine Randgruppe, oder ist die Tendenz zunehmend?

FORMESEYN: Zahlen habe ich nicht. Es ist besser geworden. Trotzdem gibt es offensichtlich immer noch genug Leute, die den Fußball benutzen, um ein Mal in der Woche den Dicken zu markieren, bevor sie sich dann vorm Chef wieder abbücken müssen. Aber am Sonnabend sind das die derbsten Kraftmeier, die nebenbei dann auch noch als erste pfeifen, wenn das Spiel mal nicht vernünftig läuft. Diese Fans definieren sich offenbar eher darüber, ihren Frust rauszulassen, statt den eigenen Verein zu supporten. Und wenn nebenbei Fanrechte beschnitten, wenn die Sicherheitsmaßnahmen erweitert werden, wenn es im Rahmen der Stadionshow nur um Dauerbeschallung und Entertainment geht, ist es denen oft scheißegal!

ABENDBLATT: In den Supporters News prangern Sie wiederholt auch das "Sieg"-Gebrülle und das Mitgrölen bei der Liedzeile "kommst du eigentlich aus Polen" aus der Fan-Hymne von Lotto King Karl an . . .

FORMESEYN: . . . und noch einiges mehr. Noch immer muß ich in der Bahn zum Spiel das unsägliche U-Bahn-Lied hören: "Eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von St. Pauli bis nach Auschwitz". Klar sind das nur vereinzelte Idioten. Aber jeder Idiot, der glaubt, das beim HSV singen zu müssen, ist mir einer zuviel. Oder wenn beim Bukarest-Spiel von der halben Nordtribüne "Zick-, Zack-, Zigeuner-Pack" gerufen wird. Wenn so was zur Normalität wird, wird es meiner Meinung nach gefährlich.

ABENDBLATT: Sind das mehr als kokettierende Sprüche, die seit Jahren unreflektiert gesungen werden? Wie politisch ist Fußball überhaupt noch?

FORMESEYN: Wenn es nach mir ginge, wäre Fußball unpolitisch. Ich weiß nicht, wie die denken, die solche Sprüche im Stadion bringen. Die meisten denken sich wohl kaum etwas dabei. Wenn ich nur ein paar davon zum Nachdenken anrege, wäre ich schon zufrieden.

ABENDBLATT: Wie sollte man diesen von Ihnen genannten Auswüchsen begegnen?

FORMESEYN: Ich will hier nicht den altklugen Besserwisser spielen. Mir geht es nur darum, meinen Finger in eine meines Erachtens vorhandene Wunde zu legen. Der Verein ist ja schon viel aktiver in solchen Fragen, wie die Teilnahme an der Initiative "Laut gegen Nazis" zeigt. Trotzdem: Das kann nur der Anfang sein, nachdem lange Jahre geschlafen wurde. Mir geht es um Aufklärung, darum, sensibel genug zu sein, um mitzubekommen, wo der Anfang dessen ist, was menschenverachtend ist. Auf und abseits der Tribünen. Auch, um den Ruf des HSV in der Stadt weiter zu verbessern.

ABENDBLATT: Die Gegner Ihrer Thesen werden Ihnen vorwerfen: Fußball ist im Ursprung ein Kampfsport, roh, die Fans müssen nicht immer ausgewogen oder klinisch rein sein. Wo hört der Spaß für Sie auf?

FORMESEYN: Ich habe selbst früher genug Quatsch gemacht. Trotzdem finde ich, man kann seinen Verein unterstützen, die Sau rauslassen und dabei den Kopf eingeschaltet haben. Und wenn ich sehe, daß um mich herum Mist passiert, dann muß ich als HSVer auch den Hintern hochkriegen und was dagegen tun.

ABENDBLATT: Der HSV hat mit den Supporters eine vorbildhafte Fanorganisation. Wird dennoch zu wenig getan, gerade gegen Rechts?

FORMESEYN: Ich bin in der Tat froh, daß es so viele gute und aktive Leute beim HSV gibt. Trotzdem könnten noch mehr Fans aufstehen, mithelfen und dazu beitragen, daß es noch besser wird.

BAFF : Pressemitteilung



Pressemitteilung des Bündnis Aktiver Fußballfans:

BAFF zeigt sich solidarisch mit Adebowale Ogungbure
Erneute rassistische Ausfälle bei einem Oberliga-Punkspiel der Oberliga Süd

Zu erneuten rassistischen Ausfällen kam es am Wochenende bei einem Oberligapunktspiel zwischen dem Halleschen FC und dem FC Sachsen Leipzig. Schon während des Spiels wurde der nigerianische Sachsen-Spieler Adebowale Ogungbure von den Zuschauerrängen als Bimbo beschimpft und mit Affenlauten. Zu alldem schwieg der Stadionsprecher. Nach dem Spiel setzten sich die rassistischen Beschimpfungen fort, als die Spieler den Platz verlassen wollten. Der Spieler Ogungbure soll als Reaktion daraufhin mit zwei Fingern an die Oberlippe und dann den Hitlergruß in Richtung der Tribüne, von welcher die rassistischen Schmähungen kamen, gezeigt haben. Anschließend wurde der Spieler von HFC-Anhängern geschlagen und getreten. In einigen Medien wird die Aktion des Spielers nun als der „negative Höhepunkt" des Spiels und die rassistischen Ausfälle der Halleschen Fans lediglich als „Provokationen“ dargestellt. Ogungbure ist in dieser Oberliga-Saison nicht zum ersten Mal Opfer rassistischer Schmähungen geworden. Aus diesem Grund hatten Mannschaft und Fans vor zwei Wochen ihren Beistand in einer Fotoaktion erklärt. Nun erwartet ihn eine Anzeige der Polizei wegen „Verwendens verfassungswidriger Symbole“. Über Anzeigen gegen die Angreifer, oder diejenigen die ihn 90 Minuten lang beschimpften, ist natürlich nichts bekannt.

Martin Endemann von BAFF sagte hierzu: Es ist unglaublich, dass ein farbiger Spieler, der die alltäglichen rassistischen Schmähungen gegen ihn nicht mehr ertragen kann und darauf reagiert, hier als Täter und nicht als Opfer dargestellt wird.

BAFF erwartet eine offizielle Stellungnahme des HFC zu den rassistischen Vorfällen während des Spiels, eine Entschuldigung beim Spieler Ogungbure und baut darauf, dass der Verein alle Maßnahmen präventiver Art ergreifen wird, die es ermöglichen rechte Tendenzen in der Halleschen Fanszene nicht zur vorherrschenden Meinung werden zu lassen. BAFF fordert weiterhin den FC Sachsen Leipzig auf, sich voll und ganz schützend hinter seinen Spieler zu stellen.

Dieser Fall zeigt erneut, dass Rassismus und Antisemitismus ist in bundesdeutschen Stadien nach wie vor allgegenwärtig sind und doch oft nicht thematisiert werden. Während im Zuge des Sicherheitswahns zur kommenden WM stets die „gestiegene Gewaltbereitschaft“ betont und über zu „verschärfende Sicherheitsmaßnahmen“ diskutiert wird, werden rassistische und neofaschistische Tendenzen in manchen Fanszenen kaum thematisiert. Im Vorfeld der WM wäre es wichtig, im Bereich der Antirassismusarbeit Akzente zu setzen und dabei auf die Kompetenz und Erfahrung von regionalen Projekten vor Ort, der Arbeit der Fanprojekte und von Football against Racism in Europe (FARE) und seinen angeschlossenen Mitgliedern zurückzugreifen. Alibiaktionen ohne konkreten Unterbau und nachhaltige Arbeit vor Ort verpuffen nur. Es gibt einen 9-Punkte Plan des DFB gegen Rassismus, es gibt eine neue FIFA Richtlinie gegen Rassismus, nur an der Umsetzung und an fanbezogener antirassistischer Arbeit scheint es zu mangeln.

Rassismus : Interview mit A.Ogunbure

Rassismus - Der Wahnsinn liegt auf dem Platz
Von Eva Lodde
Jedes zweite Spiel ist ein Martyrium: Der Leipziger Stürmer AdebowaleOgungbure wird angespuckt, als "Nigger" beschimpft, Zuschauer imitieren Affenlaute. Dann riss ihm einmal der Geduldsfaden, er hobden Arm zum Hitlergruß.
Bei SPIEGEL ONLINE spricht er über Fußball imFeindesland.Leipzig - "Mein Mund ist so trocken", sagt er. Adebowale Ogungburefindet die Worte auf deutsch nicht mehr. Er hat den Blick gesenkt,versteckt seine Augen unter der beigen Schiebermütze. In seinenGedanken spielt sich das Drama vom vergangenen Samstag ab. In einemHinterzimmer seines Vereins sitzt der Mittelfeldspieler und starrt aufden Zahnstocher in seinen Händen. Seine Finger drehen, knicken und zerfasern ihn.Adebowale Ogungbure: "Deutschland ist meine Schule."
SPIEGEL ONLINE Adebowale Ogungbure: "Deutschland ist meine Schule."Als er ins Englische wechselt, bricht es aus ihm heraus: "Ich war sowütend. Mir war alles egal. Ich hätte auch sterben können. Aber ichmusste etwas tun. Ich dachte: 'Was kann ich machen, damit die Leutedie gleiche Wut fühlen wie ich? Damit sie mich verstehen?' Und als ichden Arm gehoben hatte, sah ich, dass sie auch wütend werden konnten.Da habe ich gelacht."Aber dieses Lachen blieb dem Nigerianer im Halse stecken. Als erverzweifelt den Arm zum Hitlergruß gehoben hatte und mit einem Momentder Genugtuung belohnt wurde - dann kam schon ein Fan des HalleschenFC von hinten und attackierte ihn mit einer Eckfahne. Von vorne kamein anderer und würgte ihn. Ogungbure schubste die Gegner weg. Am Endewar es nicht die Polizei und auch nicht der Sicherheitsdienst, der ihnvom Platz rettete. Ein Mannschaftskollege zog ihn in den Tunnel zu denUmkleidekabinen.Den Skandal kleinhaltenEs ist nicht verwunderlich, dass Adebowale Ogungbure ausgerastet ist.Denn es war nicht das erste Mal, dass er 90 Minuten lang beschimpftwurde, mit Ausdrücken wie "Bimbo" oder "Neger". Oder dass gegnerischeFans Affenlaute nachgeahmt haben, sobald er in die Nähe des Balls kam.23 Spiele hat er bislang absolviert. "Bei fast jedem zweiten Spiel binich irgendwie rassistisch beleidigt worden", erzählt er. Dieses Malist er auch angespuckt worden. "Noch nie habe ich in Deutschlandjemanden gesehen, der auf Hunde oder Katzen spuckt - warum auf mich?"Was folgte, war grotesk: Der 24-Jährige bekam eine Anzeige nachParagraph 86a, weil er ein verfassungsfeindliches Symbol in derÖffentlichkeit gezeigt hatte. Einen Tag später stellte dieStaatsanwaltschaft das Verfahren wieder ein. In den ersten Debattenging es darum, wie Adebowale Ogungbure so etwas nur tun konnte. Wasdie Aggressionen und Beleidigungen jedoch anging - da hieß und heißtdie Parole der beteiligten Offiziellen: Bloß nicht aufblähen! KeineÜberdramatisierung! Den Skandal kleinhalten!Der Polizeisprecher Siegfried Koch sagte, dass 450 Beamte vor Ortwaren, um das Spitzenspiel der beiden Klubs abzusichern. EineSchlägerei habe es nicht gegeben. "Geschubst und gestoßen - das wurdeder Spieler schon. Aber keiner hat ihn tätlich angegriffen", meintKoch. Der Hallesche FC hat sich erst am Mittwoch, vier Tage später,von den Vorfällen im Stadion distanziert. Es gab kein Wort derEntschuldigung. Niemand hat Adebowale Ogungbure angerufen undwenigstens sein Mitleid ausgedrückt.Auch Rolf Heller, der Präsident des FC Sachsen Leipzig, behauptet, derVorfall sei eine Ausnahme. Eindringlich bittet er die Journalisten,bloß nicht zu negativ zu schreiben. "Das hat nichts mitRechtsradikalismus zu tun, das ist fehlgeleitete Vereinsempathie",meint er. Dabei sagt Adebowale Ogungbure, dass er dem Präsidentenimmer erzählt habe, wie er angefeindet worden sei. Die Antwort: "Diewollen dich nur provozieren." Er selbst glaubt es mittlerweile: "Diewarten doch nur darauf, dass ich eine Anzeige erstatte. Aber das mussvon ganz oben kommen, nicht von mir." Konsequenzen hätte es bis zumletzten Wochenende nie gegeben; auch nicht als er von einemgegnerischen Spieler "Nigger" genannt wurde."Dumm gelaufen. Passiert eben."Der Mann hinterm Tresen des Vereinsheims war beim Spiel dabei, hat dieRüpeleien aus der Ferne gesehen. Die Beleidigungen aus dergegenüberliegenden Kurve der Gegner konnte er nicht hören, sagt er.Die Fangesänge waren um ihn herum zu laut. Ob er glaubt, dass einSpieler 90 Minuten lang so runtergemacht werden kann? Ohne dass jemandeinschreitet? Er zuckt die Schultern. "Dumm gelaufen. Passiert eben",sagt der Mann, "ein paar Rechte gibt es überall." Die vermeintlicheToleranz geht sogar so weit, dass vor ein paar Wochen Fans - angeblichvon Lok Leipzig - bei einem unbedeutenden Jugendturnier neben demSpielfeldrand ein menschliches Hakenkreuz bilden konnten.Adebowale Ogungbure hat sich immer geduckt. Er hat nie aufhebens umseine Person machen wollen. Nur Fußball spielen, das zählt. SeineStollenschuhe hat er schon als Kind heimlich in den Schulranzengepackt. Mit 17 Jahren bekam er die große Chance: Einen Vertrag inDeutschland beim 1. FC Nürnberg. "Das war eine schwere, aber tolleZeit", schwärmt er, "mit Augenthalter, Littbarski."Er wusste nicht viel von seiner neuen Heimat. "Mmmh, ich hatte vomKarneval gehört", murmelt er und grinst ganz breit. Das macht ereigentlich sehr oft, wenn er nicht gerade über Rassismus redet. "Mirgefiel der deutsche Fußball: Das waren Kämpfer, die hatten Disziplin",sagt er. Die musste er zwar erst lernen. Jetzt allerdings sei er immerfünf Minuten vor jedem Termin da. "Deutschland ist meine Schule. Ichmache gerade meinen Master", gluckst er.Adebowale Ogungbure hat zwischendurch auch bei Energie Cottbusgespielt: Ein Verein, der für sein rechtes Fanpotenzial bekannt ist.Dort sei er aber nie angegriffen worden. "Nur einmal war mein Autonach der Meisterschaft demoliert. Manchmal glaube ich, dass dieMenschen auch gerne so leben würden wie ich", sagt er. Auf dem Tischliegt der Schlüssel seines Mercedes.Beleidigungen ignorieren - das ist professionellAls Adebowale Ogungbure in seinem schicken Anzug und den passendbeigen Schuhen durch das Vereinshaus schlendert, tönt es aus allenEcken. "Hey Ade!", "Na, wie geht's Ade?", "Alles ok, Ade?"Schulterklopfen, Händeschütteln. An den Wänden hängen die Fotos vonder Anti-Rassismuskampagne, die der Verein noch in der letzten Wocheorganisiert hatte. "Wir sind alle Ade", steht dort. "Ich bin so stolzauf den Verein und die Fans, dass sie hinter mir stehen", erklärt er."Ich will ja nur, dass alle fröhlich sind."Er war es die letzten Tage nicht. Er schämt sich für das, was er getanhat. "Ich bin doch ein Vorbild für die Fans", sagt Ogungbure. Trotzdemweiß er, dass seine dramatische Geste eigentlich das Beste war, was ertun konnte: "Hätte ich das nicht gemacht, wäre es so weiter gegangenwie immer." Dann hätte er sich wieder Kopfhörer aufgesetzt, Musikgehört und versucht abzuschalten, bevor er aufs Feld geht.Beleidigungen zu ignorieren - das nennt er "professionell sein".Jetzt zumindest kümmert sich der DFB: Der Fall geht vors Sportgericht.Die Fifa drängt: Geldstrafe oder Punktabzug sollen auch in derOberliga möglich sein, wenn ein Verein seine Fans nicht unterKontrolle hat. Bundesweite Stadionverbote sollen auf die Oberligaausgeweitet werden - so wie es in den höheren Ligen Gang und Gäbe ist."Ich bin jetzt 24 Jahre alt, die besten drei Fußballjahre habe ichnoch vor mir", sagt Adebowale Ogungbure. Im Juni läuft sein Vertragbeim FC Sachsen Leipzig aus. "Ich mag die Stadt sehr, die Leute sindtoll, auch die Fans", sagt er. Aber angeblich habe er Angebote ausErstligaklubs in Italien und Frankreich, von Zweitligavereinen inDeutschland. Jedenfalls ist er vorbereitet. "Ich habe natürlich einenPlan B und C", sagt er stolz, "das habe ich hier so gelernt."
Quelle : Spiegel Online

Rassismus : Fall "Ogunbure" nicht abgeschlossen



Fall "Ogungbure" nicht abgeschlossen

Für Polizei, DFB und NOFV ist der Fall "Ogungbure" noch nicht abgeschlossen. Einen Tag nachdem das Ermittlungsverfahren gegen den Leipziger Fußballer eingestellt wurde, sucht die Polizei nun per Videoauswertung nach jenen Hallenser Zuschauern, die Ogungbure rassistisch beleidigt und später auch handgreiflich angegriffen haben.

"Wir werten jetzt Videos aus und suchen Zeugen. Es geht um die Vorfälle im Komplexen. Wir wollen die Provokateure und Beleidiger des Sachsen-Spielers ermitteln", sagte ein Polizei-Sprecher am Mittwoch. Anzeigen seien in diesem Zusammenhang aber bislang noch keine eingegangen. "Ad acta" gelegt ist das Oberliga-Spiel HFC gegen FC Sachsen auch nicht für den DFB. Präsident Theo Zwanziger forderte vom NOFV einen Bericht an, um dann zu entscheiden, ob und wie man eingreifen wolle. Außerdem hat der NOFV ein Sportgerichtsverfahren eröffnet. Dabei geht es Verletzung von Ordnung und Sicherheit während des Spiels. Fans beider Vereine hatten nach Abpfiff aufs Spielfeld gelangen können.


HFC verliest Erklärung und spendet
Der HFC distanzierte sich am Mittwoch erstmals von den rassistischen Ausfällen seiner Fans. Fünf Minuten nach Anpfiff der Nachholbegegnung gegen den FC Eilenburg wurde eine entsprechende Erklärung verlesen. Darin brachten "Mitglieder, Anhänger, Sponsoren und Freunde" des HFC ihre "tiefe Bestürzung" zum Ausdruck. "Als Sportverein und damit als Teil unserer Gesellschaft" riefen sie dazu auf, "gewaltbereiten Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit mit friedlichen, demokratischen Mitteln zu begegnen". Vereinspräsident Michael Schädlich kündigte außerdem an, dass das Testspiel am 23. Mai gegen Hansa Rostock zu einem Benefizspiel umgewandelt wird. Die Einnahmen sollen in ein Projekt gegen Rassismus und Rechtsextremismus fließen.


Provokationen und ein "Hitlergruß"
Der Nigerianer Ogungbure war am vergangenen Sonnabend von Teilen des HFC-Publikums mit rassistischen Parolen beschimpft und provoziert worden. Am Ende dann hat er zwei Finger seiner Hand an die Oberlippe gelegt und danach den verbotenen Hitlergruß gezeigt. Das brachte ihm am Montag ein Ermittlungsverfahren wegen des "Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole" ein, welches bereits wieder eingestellt wurde. Beim Gang in die Spielerkabine war Ogungbure außerdem von einem HFC-Fan angegriffen worden.

Rassismus : Ogunbure "So schlimm war es noch nie"

Ogungbure: "So schlimm war es noch nie" - Zukunft in Leipzig offen


Leipzig (dpa) - Fünf Tage nach den rassistischen Vorfällen im Punktspiel der Oberliga Nordost zwischen dem Halleschen FC und Sachsen Leipzig hat sich der Nigerianer Adebowale Ogungbure erstmals zu Wort gemeldet. "Es war nicht das erste Mal, dass ich beschimpft wurde. Doch bislang habe ich mich auf mein Spiel konzentriert. So schlimm wie in Halle war es aber noch nie. Das tut weh", sagte Ogungbure am Donnerstag. Furcht vor neuen Beschimpfungen hat der 24-Jährige, der am Sonntag beim Heimspiel der Leipziger gegen Plauen unbedingt dabei sein will, nicht. "Ich kenne keine Angst. Ich habe immer versucht, gegen Rassismus zu kämpfen und werde das auch weiterhin machen. Ich bin stolz, dass der Verein und unsere Fans dabei hinter mir stehen. Hier habe ich eine Familie gefunden", sagte der Nigerianer, dessen Vertrag in Leipzig am Saisonende ausläuft. Ihm liegen mehrere Angebote vor. Ogungbure betonte aber, dass die jüngsten Vorfälle seine Entscheidung nicht beeinflussen werden. Allein die sportliche Perspektive gebe den Ausschlag. "Für jeden Fußballer ist es Traum, in der ersten oder zweiten Bundesliga zu spielen." Unterdessen stärkte Sachsen Leipzig seinem Spieler noch einmal demonstrativ den Rücken. "Er ist die herausragende Persönlichkeit in unserer Mannschaft, als Mensch und Spieler", sagte Präsident Rolf Heller, der die angestrebte Vertragsverlängerung mit Ogungbure von den finanziellen Möglichkeiten des Viertligisten abhängig macht. Gleichzeitig forderte Heller den Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu einem Gespräch auf, wie man noch vor der Weltmeisterschaft rassistischen Tendenzen in Fußballstadien öffentlichkeitswirksam entgegentreten kann. Ogungbure, der bereits drei Bundesliga- und 77 Zweitligapartien bestritt, war am Samstag von Hooligans provoziert und tätlich angegriffen worden. Auf die permanenten Beschimpfungen hatte Leipzigs Spieler mit dem Hitlergruß reagiert. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole wurde von der Staatsanwaltschaft Halle inzwischen eingestellt.

Rassismus : Ogunbute "die Polizei hat zugeschaut"


"Die Polizei hat zugeschaut"
Der Fußballer Adebowale Ogungbure über den rassistischen Angriff von Halle und seine Reaktion
Von Mathias Klappenbach

Berlin - Die Sätze sprudeln ungeordnet aus Adebowale Ogungbure heraus, die letzten Tage haben ihn noch mehr mitgenommen als die Zeit davor. „Ich habe seit Samstag kaum geschlafen, nichts gegessen. Ich verstehe nicht, was ich getan haben soll“, sagt der Fußballer vom FC Sachsen Leipzig erregt. Noch immer hat er mit den Ereignissen vom vergangenen Samstag zu kämpfen. „Ich bin als Affe und Bimbo beschimpft worden, wurde angespuckt wie ein Hund und geschlagen. Wieso will die Polizei etwas von mir?“Der 24-jährige Nigerianer hatte sich auf ungewöhnliche Weise gewehrt, nachdem die rassistischen Ausfälle, deren Opfer er in den vergangenen Wochen auch in anderen Stadien geworden ist, beim Spiel der Oberliga Süd zwischen dem Halleschen FC und den Leipzigern eine neue Dimension erreicht hatten. Er wehrte sich, indem er zwei Finger über die Oberlippe legte und den Hitlergruß zeigte. Die Folge war eine Anzeige gegen Ogungbure, gegen den wegen des öffentlichen Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt wurde. Gestern wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, weil laut Staatsanwaltschaft Halle „das Zeigen des Hitlergrußes nicht strafrelevant war. Ogungbure wurde provoziert, er identifiziert sich nicht mit den Zielen verfassungsfeindlicher Organisationen“. Die offizielle Bestätigung, dass er selbst nicht rechtsradikal ist, wird für Ogungbure eher absurd daherkommen als ein Trost sein. Am grundsätzlichen Problem ändert sie nichts. „Ich habe inzwischen schon keine Schwierigkeiten mehr mit den üblichen Provokationen während des Spiels durch Fans oder auch mal gegnerische Spieler. Aber jetzt hat die Polizei auch nach dem Spiel zugeschaut, als ich angegriffen wurde“, sagt Ogungbure. Auch Rolf Heller, der Präsident des FC Sachsen, kritisierte die Polizei. „Das ist zu einfach“, sagt Polizeisprecher Siegfried Koch. „Wir können nicht bei jeder verbalen Entgleisung im Stadion eingreifen. Aber wenn es zu Gewalt oder anderen Straftaten kommt, sind wir da, und das waren wir auch in Halle.“ Nachdem dem Halleschen FC am Samstag in der Nachspielzeit der 2:2-Ausgleich geglückt war, hatten zunächst Leipziger und dann auch Hallenser Fans das Spielfeld gestürmt, Ogungbure wurde auf dem Weg in die Kabine bespuckt und geschlagen. „Da waren alle stark emotionalisiert, positiv wie negativ“, sagt Michael Schädlich, der Präsident des Halleschen FC. „Ich bedauere, dass so etwas passiert ist. Ogungbure wurde provoziert und hat mit seiner Reaktion für einen unrühmlichen Höhepunkt gesorgt. Typisch für Halle sind solche Szenen aber nicht, wir hatten hier schon schwarzafrikanische Spieler als Publikumslieblinge.“Dass er für seinen Hitlergruß sogar hätte bestraft werden können, versteht Ogungbure nicht. Da diejenigen, die ihn sonst verhöhnen, ungestraft davonkommen, war er sich gar nicht bewusst, etwas Verbotenes zu tun. „Ich weiß nicht, warum ich das in dem Moment gemacht habe. Aber ich habe keine Angst und laufe nicht weg“, sagt Ogungbure. Er hat bereits in der Bundesliga für den 1. FC Nürnberg und in der Zweiten Liga für Energie Cottbus gespielt. „In dieser Form wie jetzt habe ich offenen Rassismus aber nur in der vierten Liga erlebt.“



Der Anti-Hitlergruß - FC Sachsen Leipzig steht zu Ogungbure
Von Mark Wolter und Jirka Grahl Der FC Sachsen Leipzig stellt sich hinter seinen Libero Adebowale Ogungbure. Der 24-jährige Nigerianer hatte nach Abpfiff der Oberligapartie beim Halleschen FC im Kurt-Wabbel-Stadion wütend den Hitlergruß in Richtung der Hallenser Hooligans gezeigt, weil die ihm 90 Minuten lang Affengeräusche hinterhergegrölt hatten. Einige Hooligans stürmten das Feld und griffen Ogungbure brutal an. »Er wurde beschimpft, beleidigt, bespuckt und geschlagen; es war extrem«, so beschreibt Leipzigs Sportdirektor Achim Jungnickel die Situation vor dem Kabinengang, den der Nigerianer als Letzter erreichte. Sachsen-Präsident Heller klagte, die Polizei habe bei rechtsradikalen Parolen weggesehen: »Bedenklich«, wie er findet. Und: Ogungbure sei hier das Opfer, nicht Täter. Michael Schädlich, Präsident des HFC, will in Ogungbures Hitlergruß eine Mitschuld an der Eskalation erkennen. »In so einem Derby, wo kurz vor Schluss der Ausgleich fällt, darf man sich bei aufgeheizter Stimmung nicht zu einer solchen Geste hinreißen lassen. Ogungbure ist sich wahrscheinlich ihrer Bedeutung nicht ganz bewusst.« Doch der Ex-Cotbusser sieht seine Reaktion als ein Signal an alle, sich gegen rassistische Angriffe zu wehren: »Ich bin kein Affe, kein Nigger, kein Bimbo, sondern ein Mensch«, meint der Nigerianer. Auch die Staatsanwaltschaft Halle interessierte sich: Ist der »Anti-Hitlergruß« die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole? Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, gestern aber eingestellt. Man hatte herausgefunden, dass sich Ogung-bure »nicht mit den Zielen verfassungsfeindlicher Organisationen« identifiziert. Wie weise. Gegen die rassistischen Fans wurde bisher nicht vorgegangen. Und Halles Präsident sieht den Sonnabend als Ausrutscher: »Ausländerfeindlichkeit gibt’s beim HFC seit fünf Jahren nicht mehr. Natürlich gibt es einzelne Dumme, die sind aber schwer zu fassen.« Adebowale Ogunbure ist da anderer Meinung. In der NOFV-Oberliga habe er Rassismus bisher am schlimmsten erlebt, sagt er. Sein Verein veranstaltete unlängst ein Fotoshooting »für Ade«: Ogungbure weiß geschminkt, die Mitspieler schwarz. Ob wohl Leipzigs Fans künftig fair sind, wenn in den gegnerischen Reihen ein dunkelhäutiger Spieler agiert?

Rassismus : Ogungbure


Urwaldlaute & Nazigruß

Der nigerianische Oberligaspieler Ogungbure verliert wegen ständiger Provokationen die Fassung / Polizei ermittelt

VON JÜRGEN AHÄUSER UND BERNHARD HONNIGFORT


Feine Ironie ist den Verantwortlichen des Halleschen FC nicht abzusprechen. Auf der Internet-Seite des Fußball-Oberligisten steht direkt unter dem Vereinsemblem der sinnige Spruch "... bei uns stimmt die Chemie." Der Hinweis gilt der Vergangenheit und Gegenwart als bedeutender Standort der chemischen Industrie. Mehr denn je kann angenommen werden, dass gerade nach dem vergangenen Wochenende mit den schönen Worten auch ein Gruß an die Nachbarstadt Leipzig verbunden ist. Am Samstag war der Konkurrent FC Sachsen Leipzig zu Gast an der Saale. Nachdem der Nigerianer Adebowale Ogungbure andauernde rassistische Provokationen mit "einem zackigen Hitlergruß" (Leipziger Volkszeitung) vor der Haupttribüne beantwortet hatte, steht die Paarung im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wenigstens muss das Opfer nicht mehr mit einer Anzeige wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach Paragraph 86a des Strafgesetzbuches rechnen. Wie die Staatsanwaltschaft Halle mitteilte, habe sie das Ermittlungsverfahren eingestellt.Schon vor dem Anpfiff stand die brisante Viertliga-Begegnung unter verschärfter überregionaler Beobachtung. In einer explosiven Gemengelage aus Politik, Frust, Dummheit und Provokation werden im ostdeutschen Untergeschoss des Profifußballs immer noch alte Rechnungen aus DDR-Zeiten beglichen, entlädt sich dort eine Menge neuer sozialer Benachteiligung, und auf den Rängen tummeln sich gerne Gruppen, die getrost zu den Rändern des politischen Spektrums gezählt werden dürfen.Über 90 Minuten waren die Aktionen des Schwarzafrikaners von Affenlauten begleitet worden. Als Halle in der Schlussminute der Ausgleich gelang, stürmten Leipziger Fans, gefolgt von Hallenser Zuschauern, auf das Feld. Ogungbure geriet in den Tumult und wurde nach eigenen Aussagen als "Drecksnigger und Bimbo" beschimpft. Außerdem erhielt er einen Schlag auf den Kopf. Daraufhin entlud er offensichtlich seine aufgestaute Wut mit dem Zeigen des Nazigrußes und einer Zwei-Finger-Geste, mit der er das Diktatorbärtchen andeutete.Der 24-Jährige will seine Reaktion keinesfalls als Sympathie für die Nazis verstanden wissen. "Ich wollte zeigen, dass ich mir nicht alles gefallen lassen", sagte der Spieler, der bespuckt und tätlich angegriffen wurde. Der Leipziger Volkszeitung sagte Ogungbure: "In meiner ganzen Karriere wurde ich noch nicht so behandelt wie in dieser Oberliga." Rassistische Beschimpfungen gegen ihn hatte es zuvor auch in Auerbach und gar bei einem Heimspiel gegen Meuselwitz gegeben.Das Opfer als Täter? Die Polizeidirektion Halle bestätigte, dass gegen Ogungbure eine Anzeige vorliege, weil er den Hitlergruß gezeigt habe. Von Amts wegen, erklärte Polizeisprecher Siegfried Koch der FR, müsse die Polizei der Sache nachgehen. Doch der zweifache nigerianische Nationalspieler muss keine strafrechtlichen Folgen befürchten: "Das Zeigen des Hitlergrußes war in diesem Fall nicht strafrelevant. Ogungbure wurde provoziert", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle, Klaus Wiechmann.Koch könne sich vorstellen, was für eine Tortur die Beschimpfungen für den Spieler aus Nigeria bedeutet hätten. Der Polizei gehe es darum, die Männer zu identifizieren, die den Fußballer angegriffen hatten. Dazu würden sämtliche Videoaufnahmen, welche die Polizei während des Spiels vom Publikum machte, ausgewertet. "Derer müssen wir habhaft werden", sagte Koch.Michael Schädlich, der Präsident des Halleschen FC sieht in den Vorkommnissen vor allem "einen Konflikt, der mitgebracht wurde." Mehr oder weniger eindeutig deutet der Wirtschaftswissenschaftler an, dass Dummköpfe aus dem Lager von Lok Leipzig bewusst die Eskalation gesucht hätten. Einige Fans des einstigen Leipziger Vorzeige-Klubs reisen nach Angaben von Guido Schäfer öfter mit zu Auswärtsspielen der Sachsen. Der Reporter der Leipziger Volkszeitung hält es für möglich, dass so genannte Lok-Fans mitgemischt haben, zumal die Anhänger von Lok Leipzig eine Fan-Freundschaft mit denen aus Halle pflegen. Schäfer bedauert, dass der Stadionsprecher in Halle sich nicht zu den Urwaldlauten (Uh-uh-uh) gegen den Leipziger Spieler geäußert hat. Rufe, die auch der FC-Präsident Schädlich geflissentlich überhört hat. In seiner "Ohrweite" auf der Haupttribüne seien keine diskriminierenden Äußerungen zu hören gewesen, "sonst hätte ich den Stadionsprecher mit Sicherheit zum Einschreiten bewogen". So wie er es auch getan habe, als eine Rakete im Stadion gezündet wurde.Seit fünf Jahren sei im Stadion in Halle nichts vorgekommen, was auf eine braune Gesinnung schließen lasse. "Wir sind hier ein Schmelztigel. Ich habe auch am Samstag keine rassistischen Tendenzen bemerkt", so Schädlich. Dumme Sprücheklopfer gebe es allerdings in vielen Orten. Zu den Tumulten nach dem Spiel und den dortigen Vorkommnissen könne er nichts sagen. Kein Verständnis hat Schädlich für seinen Leipziger Kollegen Rolf Heller (siehe Interview). "Ich bin nicht gewillt, das Thema Rassismus zu generalisieren. Das ist an den Haaren herbeigezogen. Da entspricht nichts den Tatsachen
Quelle : Frankfurter Rundschau

Rassismus : Halleschen SC - Sachsen Leipzig



Geduldeter Rassismus
Frank Jansen über ein verdrängtes Problem vor der Fußball-WM
Ein Spieler aus Nigeria hat am Wochenende erfahren, was im Stadion des Halleschen FC das WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ bedeutet. Hooligans haben Adebowale Ogungbure, Abwehrspieler bei Sachsen Leipzig, beleidigt, bespuckt, geschlagen. Da der Afrikaner den Angreifern einen verächtlichen Hitlergruß entbot, ermittelt jetzt die Polizei – gegen Ogungbure. Eine Anzeige gegen die „Drecksnigger“ rufenden Hooligans schrieb dagegen kein Beamter. Den WM-Teilnehmern aus Afrika muss das ein seltsames Deutschland-Bild vermitteln. Überhaupt allen Mannschaften mit dunkelhäutigen Spielern. Also auch dem deutschen Team, nicht wahr?Die Innenminister haben offenbar vor der WM ein Risiko übersehen. Was nützt es, Stadien zu Festungen hochzurüsten, die Bundeswehr aus den Kasernen zu holen und teure Sympathie-Kampagnen zu präsentieren, wenn es Teilen der Polizei an der nötigen Sensibilität im Umgang mit Opfern rassistischer Angriffe mangelt? Natürlich wird bei der WM in den Stadien selbst kein afrikanischer Fußballer attackiert werden, dazu sind die Sicherheitsmaßnahmen zu massiv. Doch was vor und nach den Spielen passieren könnte, zeigt sich nicht erst seit dem Vorfall in Halle. Gerade in ostdeutschen Stadien sind rassistische und antisemitische Parolen leider keine Seltenheit. Polizei und Zivilgesellschaft nehmen sie oft genug hin. Bleibt es dabei, sollten dunkelhäutige WM-Gäste Städte wie Halle lieber meiden.

Nigerianer wird rassistisch attackiert und zeigt Hitlergruß

Berlin - Dreitausend Zuschauer waren am Sonnabend zum Punktspiel der NOFV-Oberliga Süd ins Kurt-Wabbel-Stadion von Halle gekommen. Kurz vor Schluss schaffte der HFC gegen Sachsen Leipzig den 2:2-Ausgleich, was die Gästeanhänger in Rage brachte. Sie stürmten den Rasen. Die Polizei musste sie wieder in ihren Block treiben. Schon während des gesamten Spiels war der Leipziger Spieler Adebowale Ogungbure wegen seiner Hautfarbe immer wieder mit Affenlauten verhöhnt worden. Als der Nigerianer nach dem Spiel als einer der letzten den Innenraum verlassen wollte, kam es zu Tätlichkeiten von Hallenser Zuschauern gegen ihn. Der 24-Jährige reagierte überraschend mit einem Hitlergruß vor der Haupttribüne. Gegen ihn wurde daraufhin Anzeige wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole erstattet. Seine Reaktion will der Ex-Cottbuser jedoch nicht als Tolerierung der NS-Bewegung verstanden wissen. Ogungbure sagte: „Ich wurde geschlagen und wusste nicht, wie ich mich wehren sollte. In meiner ganzen Karriere wurde ich noch nie so schlecht behandelt wie in dieser Oberliga. Ich bin kein Affe oder Bimbo, sondern ein Mensch.“Die Reaktion der Polizei in Halle verblüfft: Sie hat eine Anzeige gegen den nigerianischen Spieler geschrieben, aber keine gegen einen der mutmaßlichen Angreifer. Da „ein Bürger“ berichtete, Ogungbure habe nach dem Spiel den Hitlergruß gezeigt, werde jetzt ermittelt, sagte der Sprecher der Polizeidirektion Halle, Siegfried Koch, am Montag dem Tagesspiegel. Der Augenzeuge habe jedoch nichts über Beleidigungen oder Schläge gegen den afrikanischen Spieler gesagt. mko/fan
Quelle : Tagesspiegel

Artikel : Zoff den den Klinsmanndeutschen

Zoff bei den Klinsmanndeutschen

Zehn Wochen vor der WM könnte die Stimmung kaum schlechter sein.
von alex feuerherdt

Ein bisschen erinnert die Aufregung um die Aus­sichten der Deutschen bei der kommenden Fuß­ballweltmeisterschaft im Allgemeinen und um den Wohnort von Jürgen Klinsmann im Besonderen an einen Familienkrach. Aus den Sprösslingen soll schließlich einmal etwas werden, doch die versemmeln derzeit eine Prüfung nach der anderen und gefährden dadurch ihr Klassenziel. Eigentlich würde man das Machtwort eines gestrengen Oberhaup­tes erwarten, doch das überlässt die Blagen ganz antiautoritär sich selbst oder den überforderten Tagesvätern Jogi & Olli.
Nur gelegentlich schaut der Erziehungsberechtigte nach dem Rechten und verkündet einem staunenden Publikum fröhlich, dass alles in bester Ordnung sei. Unterdessen verlangt die Verwandtschaft, Papa möge gefälligst nach Hause kommen. Kürzlich tagte sogar der Familienrat mit Opa Franz und Mama Angie, doch während Großvater mit sorgenzerfurchtem Gesicht über die Schande grantelte, die die Gören zu bereiten drohten, beruhig­te ihn Mama damit, dass sie keinen Grund sehe, warum die Jungs nicht das Gleiche leisten könnten wie ihre Schwestern. Die seien schließlich auch Weltmeis­terinnen geworden.
Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen. Auch wenn Klinsmann als Weichei und in nationalen Belangen als eher unzuverlässig galt – schließlich lebt er schon seit Jahren in den USA –, verband man mit seinem Namen Erinnerungen an bessere Zeiten. Dennoch schwante Fußballfans wie Medien Böses, und nicht nur deshalb, weil der Schwabe ungefähr zehnte die Wahl war. Es drohe die »Amerikanisierung des deutschen Fußballs«, meinte etwa die Welt. Ein »Visionär« (Zeit), der alles rosa sieht und aus Scheiße Gold zu machen verspricht – da hatte einer offenbar die typisch amerikanische Oberflächlichkeit adaptiert, was ihn für den Posten des Retters des deutschen Fuß­balls zu disqualifizieren schien. Man zweifelte an seiner Kompetenz, beäugte misstrauisch den großen Stab an Spezialtrainern, Psychologen und Betreuern und legte die Stirn in Falten, als gestandene Nationalspie­ler grotesk wirkende Übungen mit langen Gummibändern verrichten mussten.
Doch die größten Zweifel schwanden nach den ersten Spielen, vorerst wenigstens. Stattdessen mehrten sich die Stimmen, die Klinsmanns sonnigen Optimis­mus und seine innovativen, radikal anmutenden Vor­schläge begrüßten. In Deutschland werde zu viel gemeckert und zu wenig einfach angepackt, weshalb ein »Revolutionär« (Zeit) der Richtige sei. »Jürgen Klinsmann kommt aus Amerika, wo vieles auch nicht so gut läuft. Aber er hat gelernt, so zu tun, als sei alles gut, und das versucht er zu vermitteln«, fasste Uli Hoeneß, der Manager des FC Bayern, die Vorzüge des Neuen zusammen.
Der »polyglotte Sonnyboy mit Wohnsitz Kalifor­nien« (Welt) repräsentierte mit seinem forschen Auftreten die neue deutsche Unbeschwertheit, personifizierte einen Ausweg aus der viel bemühten »ge­sellschaftlichen Erstarrung« und versprach eine Bewältigung des berühmten »Reformstaus«. Er verheiße »Aufbruchstimmung«, meinte der damalige Manager von Borussia Dortmund, Michael Meier, und bringe »positive Energie«, glaubte Theo Zwanziger, der Prä­sident des Deutschen Fußballbundes. Klinsmanns Appelle an das Selbstvertrauen und den »Glauben an die eigene Stärke« kamen nicht nur bei den National­spielern gut an.
Das Projekt »FC Deutschland 2006« machte Fortschritte. Klinsmann verordnete seinen Spielern »aggressiv-rote Trikots« (Welt) und verlegte die Unterkunft der deutschen Mannschaft gegen den erklärten Willen der DFB-Führung weg vom beschaulichen Leverkusen in die Hauptstadt. »Berlin ist in Deutsch­land die Stadt schlechthin, das ist eine Metropole, da ist Energie, das pulsiert. Die Quartierwahl soll unser Selbstbewusstsein ausstrahlen«, ließ der Chefcoach wissen.
Dennoch blieb das Vertrauen in den »hoch intelligenten Systematiker« (Zeit) ziemlich brüchig. Erst nach dem erfolgreichen, aber unbedeutenden Confederations Cup im vergangenen Sommer besserte sich die Stimmung merklich. Doch nach mehreren dürftigen Ergebnissen gegen zweit- und drittklassige Gegner folgte die Ernüchterung, und mit ihr kehrten die Attacken gegen den »schwäbischen Sturkopf« (Zeit) zurück. »Der soll nicht ständig in Kalifornien rumtanzen und hier uns den Scheiß machen lassen. Er muss sich mit uns unterhalten und muss öfter hier sein, das ist alles«, keifte Uli Hoeneß.
In einer »amerikanischen Parallelwelt« sah auch die Zeit den Nationalcoach. »Kopfschüttelnd blickten die Fans Klinsmann hinterher. Selbst wohlmeinende Kommentatoren fürchteten auf einmal ein gestörtes Verhältnis des Bundestrainers zu seinem Job. Der Coach gibt der deutschen Öffentlichkeit immer wieder Rätsel auf.«
Er ist also ein Fremder geblieben, der Jürgen Klinsmann. Man liebt ihn nicht wirklich, zumal er die gewünschte street credibility vermissen lässt. Gleichzeitig passt er jedoch bestens zum Selbstbild eines geläuterten, weltoffenen und moder­nen Deutschlands. Das macht den Bundes­trainer und seine Truppe auch für die­je­nigen attraktiv, die in der Vergangenheit eher Distanz zur deutschen Nationalmann­schaft hielten.
Denn Klinsmann bringt ziemlich alles mit, was des Linken Herz begehrt: Er ist nicht so bräsig und peinlich wie Berti Vogts, weigert sich, anders als beispielsweise Lothar Matthäus, sein Privatleben in der Bou­levardpresse auszubreiten. Er wirkt halbwegs intellektuell, spricht mehrere Sprachen und ist weltgewandt. Er macht sich nicht mit dem grölenden Mob gemein, ist dennoch populär und hat sogar einen proletarischen Beruf erlernt, nämlich Bäcker.
So bekannte Christoph Biermann in der taz freimütig, dass seine »Schwierigkeit, Anhänger der deutschen Fußballnationalmannschaft zu sein«, eine Jugendsünde gewesen sei. Dank Klinsmann könne man es bedenkenlos mit dem Nationalteam halten. »Zwar ist um ihn mitunter arg viel Sound of Neoliberalismus« – typisch amerikanisch eben –, »aber man kann ihn halt beim Wort nehmen und schauen, ob all die schwungvollen Vorgaben wirklich eingelöst werden oder nicht.«
Ärgerlich sei es nur, dass deutsche Länderspiele immer noch »Versammlungen der Allerblödesten« seien. Das liege daran, dass auf den Rängen »provinzielle Lethargie« herrsche und der Deutschland­fan »bespaßt«, also unterhalten werden wolle, was offenbar besonders verwerflich ist, wenn es um Hö­heres und Wichtigeres geht – nämlich um Deutschland.
Derweil haben besonders engagierte Anhänger andere Sorgen. Sie fürchten den Ausschluss vom nationalen Projekt Weltmeisterschaft. Das Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff) beispielsweise kritisert die »Kommerzialisierungswut«, die »Repres­sion« und die »Versitzplatzung«. Diese Dinge zerstörten schleichend den »Volkssport Fußball« und die »gewachsene Fankultur«.
»Der Fußball verliert so seine Vielfalt und entwickelt sich Schritt um Schritt zum reinen Medienspek­takel.« Schuld daran hätten die »Seelenverkäufer in den Chefetagen«, denen »das liebe Geld und der totale Kommerz zu Kopf gestiegen« seien.
Man klagt also über den Verlust eines Biotops, das es in Wahrheit nie gegeben hat, und fühlt sich von kafkaesken Bürokraten ums Vergnügen betrogen, obwohl man doch so konstruktive Vorschläge macht und dazugehören will. Dass auch der Fußball längst ein lohnendes Marktsegment ist und daher kapitalistischer Rationalität folgt, mithin einen Teil des falschen Ganzen darstellt, kommt den Fans nicht in den Sinn. Der berechtigte Är­ger über exorbitant teure Eintrittskarten, eine absurde Datenerhebung und das groteske Verfahren bei der Vergabe der Tickets übersetzt sich in eine ressentimentgeladene Attacke gegen »die da oben«, die dem »Volk« absichtlich seinen Spaß versauen, es um das »Recht auf Fußball« berauben und lieber unter sich sein wollen.
Am Ende dürfte ausnahmsweise Franz Beckenbauer Recht haben: »Entscheidend wird doch sein, wie das deutsche Team bei der WM abschneidet.« Falls der – glücklicherweise ziem­lich unwahrscheinliche – Fall eintreten sollte, dass dessen Kapitän den Pokal in den Berliner Nachthimmel stemmen darf, wird man allen Ärger vergessen. Landauf, landab wird man Klinsmann als neue »Lichtgestalt« feiern und dankbar sein wie dereinst für die Care-Pakete.
Andernfalls wird man ihn mit Schimpf und Schande davonjagen und sich als Opfer eines amerikanischen Luftikusses fühlen, den man niemals hätte gewähren lassen dürfen. Die gegenwärtigen Attacken gegen ihn erscheinen in diesem Zusammenhang gleichsam als Vorbereitung auf den worst case, also ein peinlich frühes Ausscheiden. Man hätte einen Schul­digen – und man hätte es schon immer gewusst.
Quelle : Jungle World